In Stellenausschreibungen suchen Unternehmen immer häufiger nach Content-Managern. Wer die Anforderungen liest, merkt schnell: Die Aufgaben klingen wie die eines Redakteurs. Wenn es um die Betreuung von Social Media und Content-Marketing geht, sind Unternehmen deshalb gut aufgestellt, wenn sie sich für Journalisten entscheiden.
Meine Vergangenheit ist auf Facebook aktiv. Sie war mein Ausbilder und Arbeitgeber und trägt den Namen „Schwäbische Zeitung“. Ich folge ihr, weil sie mir Dinge aus meiner alten Heimat verrät. Manchmal sehe ich dort auch unterhaltsame Marketing-Ideen.
Oder – wie kürzlich – eine Stellenausschreibung. „Redakteur Content Management (m/w)“ (sic).
Da war es wieder: Dieses Wort, das so gar nicht nach Vergangenheit klingt. Es ist ein modernes, ein neues Wort, das erst seit dem Siegeszug der neuen und sozialen Medien die Runde macht.
Content-Management.
Aber was will uns der Begriff sagen? Oder anders gefragt: Was soll Content-Management anderes sein als das, was Onlineredakteure ohnehin schon immer gemacht haben?
Denn zu den Aufgaben des Content-Managers heißt es in der Stellenausschreibung:
„Du wählst die spannendsten Inhalte für unsere Website und App aus.“
Redakteure hatten schon immer die Aufgabe, spannende Inhalte für einen Publikationskanal auszuwählen. Der Unterschied ist lediglich, dass dieser Kanal heute (auch) digital statt (nur) analog sein kann – mit der Möglichkeit, mehr spannenden Inhalt auszuwählen (nicht nur ein bis zwei Fotos fürs gedruckte Layout, sondern eine ganze Galerie; nicht nur statische Bilder, sondern auch Videos). Aber: Onlineredakteure unterscheiden sich darin nicht von Content-Managern.
„Du suchst die passenden Zusatzinhalte für unseren Content.“
Zusatzinhalte können in diesem Fall die bereits erwähnten Videos und – interaktive – Grafiken sein. Aber auch Backlinks zu ähnlichen Artikeln im eigenen Medium sowie in fremden Medien sind Zusatzinhalte. Sie fallen bei der Recherche aber meistens ohnehin an. Neu im Gegensatz zu Printmedien ist also nur, dass sie jetzt auch nutzwertig an Leser weitergegeben werden können. Aber auch hier gilt: Onlineredakteure machen das schon immer genauso wie Content-Manager.
„Du optimierst unsere Inhalte für Suchmaschinen.“
Keywords in die Überschrift, den Vorspann und Zwischenüberschriften. Dazu Meta-Descriptions und Bildbeschriftungen, die über reine Bildunterschriften hinausgehen: Das verbirgt sich hinter der Suchmaschinenoptimierung. Das Leseverhalten ausgehend von diesen Keywords auszuwerten ist ebenfalls Teil des Suchmaschinenmarketings. Aber Sie ahnen es: Onlineredakteure sollten sich mit Keywords ebenso auskennen wie Content-Manager.
„Du moderierst in Randzeiten aktiv Facebook-Diskussionen.“
Wer Artikel publiziert, der kann davon ausgehen, dass es Reaktionen gibt. Die gab es auch schon früher in Form von Leserbriefen oder Anrufen. Diese Diskussionen haben sich jetzt vermehrt ins Internet verlagert: in die sozialen Medien und in Kommentarspalten. Zugegeben: Der Ton ist dort rauer als am Telefon. Aber dennoch: Mit Lesern zu kommunizieren gehörte sogar schon im Analogzeitalter zur Tagesordnung von Redakteuren; das „Online“ vor dem „Redakteur“ können wir uns in diesem Fall im Vergleich mit dem Content-Manager also sogar sparen.
„Du schreibst eigene schnelle Stücke für unseren Webauftritt.“
Diese Zeile besagt es nicht explizit, aber für einen Webauftritt zu schreiben unterscheidet sich tatsächlich vom Schreiben für ein gedrucktes Magazin oder eine Zeitung (auch wenn ich behaupten würde, dass sich beide Welten immer mehr angleichen – beziehungsweise Print von Online-Lesegewohnheiten lernt). Unser Auge kann eine gedruckte Doppelseite nun mal schneller als Ganzes erfassen als einen Text auf einem Bildschirm. Deshalb kreiert die Onlinewelt diese Übersicht durch mehr Zwischenüberschriften und kürzere Absätze. Aber ich wiederhole mich: Auch Onlineredakteure haben das schon immer gemacht.
Bei den gewünschten Qualifikationen in der Stellenausschreibung gibt es noch zwei interessante Aspekte:
„Deine Titelzeilen machen Appetit auf mehr.“
Das sollten Überschriften eigentlich auch in einem Printmagazin oder einer Zeitung tun. Aber es ist schon richtig, dass die Onlinewelt mit ihren kurzen Anreißern einen Teaser braucht, der zum Klick animiert.
„Du hast einen journalistischen Hintergrund.“
Für eine Tageszeitung ist das logisch, aber Content-Manager gibt es ja auch in der Unternehmenskommunikation. Auch dort gilt: Redakteure kennen sich von Berufs wegen mit dem Erstellen und Kuratieren von Inhalten aus. Wenn sie sich in Onlinemedien fortbilden, sind sie fürs Content-Management bestens gerüstet.
Sonstige Auffälligkeiten:
Die Onlinewelt ist per Du. Die „Schwäbische Zeitung“ greift das in ihrer Stellenausschreibung auf.
Was unterscheidet also die Aufgaben von Content-Managern und Redakteuren?
Nichts. Content-Manager ist schlicht eine branchenübergreifende Bezeichnung für „Mitarbeiter, die sich um die Betreuung aller digitalen Kanäle kümmern“. In Verlagen ist das also die Redaktion, in einem Unternehmen ist es das Marketing, und in Agenturen kann es sowohl Redaktion als auch Marketing sein.
Oder? Weil die Brücken in die Vergangenheit nicht gekappt sind geht die Frage direkt weiter an meinen früheren Kollegen Yannick Dillinger, heute stellvertretender Chefredakteur und Leiter Digitales der „Schwäbischen Zeitung“. Er sagt:
Die Grenzen verschwimmen tatsächlich immer mehr: Sowohl Onlineredakteure als auch Content-Manager müssen heute guten Content erkennen und damit umgehen können, ihn in bestmöglicher Form präsentieren, aufpeppen und über verschiedene Kanäle verteilen. Bis vor einigen Jahren waren Onlineredakteure eher Inhalteverwalter, aber die Aufgaben sind vielfältiger geworden, und der Beruf hat sich dem Content-Management immer mehr angenähert.
Was gehört noch zu den Aufgaben eines Content-Managers?
Jeden Tag kommen neue Ausgabe- und Distributionskanäle, Zielgruppen und Darstellungsmöglichkeiten hinzu: Wir beschäftigen uns mit Videos, Chatbots, künstlicher Intelligenz und dem Thema Hatespeech, das uns extrem viel Zeit kostet. Im Digitalen probieren wir ständig den Umgang mit Neuem aus, um dann Aufwand und Ertrag zu messen. Diese Fähigkeiten muss ein Onlineredakteur oder Content-Manager draufhaben.
Wer hat sich überwiegend auf eure Stellenausschreibung beworben?
Ganz klar: Journalisten. Wir waren aber völlig offen und haben auch einen Kollegen gewonnen, der vorher beim Radio war. Das ist spannend, weil er ganz andere Talente einbringt: In sozialen Medien ist er extrem flott unterwegs, und seine Sprache ist viel direkter, als wir es bisher kannten – eine Eigenschaft, die er von der Arbeit beim Radio mitgebracht hat.
Inwieweit ändern solche Impulse die Herangehensweise an Geschichten?
Bei einer Tageszeitung müssen wir natürlich unterscheiden zwischen aktuellen und planbaren Themen. Wenn sie planbar sind, sind Storyboards und der crossmediale Teamgedanke immens wichtig geworden: Wie erzählen wir ein Thema, wer muss dafür mit raus, und welche Darstellungsformen verwenden wir?
Das klingt nach Konfliktpotenzial zwischen Print- und Onlineredaktion.
Nicht mehr: Die Offenheit fürs Digitale hat zugenommen. Einen großen Anteil daran hat die Bezahlschranke: Niemand kann jetzt noch argumentieren, wir würden unsere Inhalte verschenken. Und große Themen besetzen wir idealerweise mit zwei Redakteuren: einem für Print und einem fürs Digitale. Die Überzeugung, dass jeder alles kann, ist längst hinfällig. Theoretisch sollten zwar alle multimedial fit sein, aber keiner muss Experte für alles sein.
Angesagt sind momentan ja zum Beispiel sogenannte Scrollytellings, die Text mit Videos, Fotostrecken und Infografiken kombinieren. Die „Schwäbische Zeitung“ nutzt Scrollytellings auch. Warum?
Mit Scrollytellings trommeln wir für Qualitätsjournalismus. Die Zugriffszahlen sind gut, aber der Aufwand ist viel höher als bei normalen Geschichten. Sie bringen also keinen direkten Ertrag. Aber solche Scrollytellings sind Content-Marketing für unsere Marke. Wir laden unsere Zeitung, unseren Verlag digital auf und zeigen, was wir können. Content-Marketing gibt es eben auch im Verlagswesen.
Warum ist das wichtig?
Weil sich die Branche in den nächsten zehn Jahren weiter wandeln wird: Print wird es zwar nach wie vor geben, wenn auch bei gesunkener Auflage. Die Herausforderung wird aber sein, sich digital so aufzustellen, dass die Ausfälle in einem guten Maße abgefedert werden können. Das funktioniert nur, wenn sich Verlage zum einen als qualitativ hochwertige Marke etablieren und zweitens dieses Markenversprechen auf allen Ausgabekanälen gleichermaßen halten. Das geht nur mit einer konsequenten Digitalstrategie. Man muss sich frühzeitig auf eine Richtung festlegen und diese dann konsequent verfolgen. Wer in alle Richtungen geht und alles mit gleichem Aufwand ausprobiert, kann alles nur halbherzig machen, anstatt Vorreiter zu sein.
Wie beurteilst du den Umstand, dass auch Unternehmen immer häufiger tolle journalistische Geschichten erzählen und dafür mit (Ex-)Journalisten zusammenarbeiten?
Dieser Trend wird zunehmen. Selbst Fußballvereine werden ja immer mehr zu Content-Erzeugern. Es gibt deshalb nicht nur einen „Kampf um Talente“, sondern auch einen „Kampf um Aufmerksamkeit“. Umso wichtiger ist es, dass Verlage den unabhängigen Journalismus als ihr Alleinstellungsmerkmal herausstellen.
Überschneidungen gibt es allerdings, wenn ebenjene Unternehmen ihre Texte als Native Advertisings auf Verlagsseiten publizieren. Was hältst du davon?
Native Advertising ist in Ordnung, wenn es klar gekennzeichnet ist. Und ich wiederhole es: Verlage müssen ihrem Markenversprechen treu bleiben. Native Ads dürfen in der Machart, der Usability und der User-Experience nicht abfallen im Vergleich zur Qualität der redaktionellen Inhalte.
Yannick, danke für das Gespräch.
Titelbild: publish! | Material: Adobe Stock
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