Marketing-Gurus predigen es immer wieder: Gutes Content-Marketing muss einen Mehrwert bieten, Informationen liefern, Geschichten erzählen, unterhalten. Aber gibt es nicht auch Grauzonen? Redakteurin Jacqueline Brunsch ist kürzlich auf einen Fall gestoßen, bei dem auch sie lange grübeln musste, ob es sich dabei wirklich um Content-Marketing handelt. Ein Plädoyer für Anti-Schubladen-Denken.
Kaum zu glauben, dass ein kleiner Happen voll klebrigem Zucker so viel Diskussionsstoff in sich birgt: Kaubonbon-Hersteller Mentos hat mit seinem derzeitigen Marketing-Coup nämlich das geschafft, woran etliche Psychologen vorher gescheitert sind. Denn statt wie einst nur etwas gegen den üblen Mundgeruch der Menschheit zu tun, fördern die Dragee-Macher unter dem Motto „Who says no to Mentos?“ derzeit auch das menschliche Sozialverhalten – und das auf äußerst unterhaltsame Weise.
Wie das? Ganz einfach: Indem auf die Bonbons der Limited Edition „Say Hello“ – ganz kess – verschiedene Interaktionsbefehle gedruckt werden, die von mutigen Konsumenten beim erstbesten Fremden in die Tat umgesetzt werden sollen. Im Kautempo gibt es also ständig neue Aufforderungen, an den zwischenmenschlichen Beeinträchtigungen zu arbeiten, beispielsweise durch „High Fives“ (Gib mir fünf!) oder auch „Hugs“ (Umarmung). Für die menschenscheue, digitalisierte Gesellschaft eine echte Mutprobe und ein gelungener Eisbrecher für neue Freundschaften – zumindest in der Theorie.
Unterhaltung – ja. Aber auch Content-Marketing mit Mehrwert?
Vom geschmacksverstärkten und künstlich herbeigeführten Einblick in die menschliche Psyche fasziniert, drängte sich mir nun folgende Frage auf: Ist diese neue Mentos-Kampagne eigentlich schon Content-Marketing? Immerhin bedient der Spot meine voyeuristische Ader bestens – Unterhaltung ist also schon mal geboten. Allerdings: Eine eindeutige Antwort ist damit noch nicht gefallen. Denn widerspricht es nicht den „Grundgesetzen“ des Content-Marketings, den Mehrwert (also die Verhaltenstipps) direkt AUF dem Bonbon zu platzieren und das Produkt somit derart ins Scheinwerferlicht zu schubsen? Und was ist eigentlich mit den wertigen Inhalten in Form von Wörtern, Zahlen und Fakten, die von Marketingexperten so gern eingefordert werden? Wo kämen wir denn hin, wenn man die tollen Artikel, Videos oder Audio-Slideshows gar nicht mehr bräuchte, um ein Unternehmen sympathisch und erinnerungswürdig werden zu lassen?
Meine pragmatische Antwort: Genau zum gleichen Ziel, denn Ausnahmen bestätigen schließlich die Regel. Deshalb schadet es manchmal nicht, die Scheuklappen abzusetzen und vom Gelernten abzuweichen. Oder anders gesagt: So wie es viele kreative Wege gibt, Content-Marketing umzusetzen, sollte es auch viele kreative Wege geben, die Definition auszulegen. Hinzu kommt, dass auf den Dragees, ganz streng genommen, ja sogar mit Wörtern gearbeitet wird. Und selbst die Geschichte muss am Ende nicht fehlen: Denn wer den Mumm hat, die Verhaltenstipps in die Tat umzusetzen, schreibt damit vielleicht sogar seine eigene kleine Story – und das Unternehmen bleibt definitiv im Gedächtnis!
Fazit
Manchmal kann Mehrwert im Content-Marketing so simpel sein. Der Nutzen für die Endverbraucher muss nicht immer im aufwendig vermittelten Zusatzwissen oder einer tiefgründigen Hinter-den-Kulissen-Story stecken – gelegentlich ist es auch mit einer ordentlichen Packung Unterhaltungswert getan. Und immerhin können dank der Mentos-Kampagne schüchterne Menschen Hemmungen abbauen und Egozentriker ordentlich Karma-Punkte sammeln. Das ist doch auch etwas – quasi Zucker für die Seele.
Titelbild: publish! | Material: Adobe Stock
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