Muss denn heute alles digital passieren? Ist es antiquiert, wenn man gern gedruckte Magazine kauft und entspannt mit einem Kaffee in der Hand liest? Nein – zum Glück nicht: Print bedeutet Genuss, und Print vermittelt Informationen besser als Digitales. Das bestätigt sogar ein Hirnforscher.
Lesen ist für mich Luxus: In einem Beruf, der mich täglich mindestens acht Stunden vor den Bildschirm bringt, leisten meine Augen permanent Akkordarbeit. Im Feierabend ist dann kaum Raum mehr für entspannendes Lesen. Mir fehlt die Muße, schon wieder aktiv mit den Augen hinter Buchstaben herzueiern. Für Bücher bleibt nur noch der Sommerurlaub. Eine Ausnahme allerdings habe ich mir bewahrt: Ich lese Zeitschriften. Zugegeben, ich blättere auch mal nur so oder schaue bloß bunte Bilder an. Aber ich nehme mir die Zeit – und das ist mein Luxus im Alltag. Für mich sind Magazine eine Belohnungslektüre, mit der ich mir eine qualitativ hochwertige Auszeit gönne.
Das fängt schon mit dem Erwerb an. Manche Hefte kaufe ich gezielt – mit wohlwollender Vorfreude –, manche habe ich sogar abonniert, und einige begegnen mir im Alltag eher zufällig. Und nicht alle kosten mich Geld, was ich als zusätzliche Belohnung empfinde. Ich umgebe mich also gern mit Magazinen, die optisch gut gemacht sind und mich inhaltlich mit unterschiedlichen Themen unterhalten, informieren und mir eine angenehme Zeit bescheren. Eine Art kleiner Urlaub im Alltag. Streicheleinheiten für mein „Print-Ich“. Denn ich würde einer digitalen Version nie so viel Raum und Muße schenken und bereitwillig offen sein für Informationen, wie ich es im gedruckten Modus bin.
Vieles kann Print einfach besser
Umso mehr hat es mich gefreut, meine persönliche Herangehensweise ans eigene Leseverhalten bestätigt zu bekommen. In einer meiner Belohnungslektüren las ich, nach spätem Frühstück und Marktbesuch, in einem Interview mit Hirnforscher Hans-Georg Häusel, wie gedruckte Medien die Sinne ansprechen und ihre Wirkung entfalten. Im Gespräch mit dem Herausgeber der Buchreihe „turi2 edition“ erklärt er die Wirkung von Print durch den Vergleich zum Smartphone oder Tablet: Der Griff zum digitalen Endgerät führe beim Benutzer dazu, dass sein Gehirn in den sogenannten Goal Mode schaltet, also in einen Zielmodus verfällt. „Der Nutzer möchte relativ schnell ein Ziel erreichen, das Gehirn sucht eine Belohnung.“ erklärt der Diplom-Psychologe. „Ganz anders, wenn ein Mensch eine gedruckte Zeitschrift in die Hand nimmt: Dann schaltet sein Gehirn in den Flanier-Modus. Er ist entspannter und nimmt Inhalte anders auf.“ Ha, denke ich. Wusste ich es doch. Kann ich mir doch mühelos merken, in welcher Reportage ich faszinierende Eindrücke gesammelt habe, aber die Bedeutung von „Stakeholder“ muss ich bei Wikipedia an einem einzigen Tag zweimal nachschlagen. Flanier-Modus – ja, das gefällt mir.
Der Fachmann für Konsumverhalten sagt so wunderbare Sätze wie „für vertiefende Informationen sind Printmedien einfach besser geeignet“. Innerlich überlege ich kurz, ob das eine Generationenfrage ist und ob ich vielleicht ein „printlerisches Auslaufmodell“ bin. Aber nein, lese ich weiter. „Die digitale Welt hat viele Vorteile, aber vieles kann Print einfach besser. Sogar die digital aufgewachsenen sagen: Es ist für mich der größte Genuss, wenn ich die Zeitschrift am Abend oder Wochenende auf meinem Sofa mit einem Tee genießen kann.“ Puh, denke ich, doch kein Auslaufmodell – und fühle mich gleich fünf Jahre jünger. Und das hat mir noch keine App verschafft.
Ich bleibe also dabei. Wer es schafft, seine Inhalte mit mir, bei mir und sogar in mir wohnen zu lassen, hat einen Fuß in mein Langzeitgedächtnis gesetzt. Es kann zwar passieren, dass ich auch noch unwichtige Dinge behalte – welchen Pulli ich beim Lesen trug oder ob Kaffee oder Tee dazu im Becher war –, aber „Botschaft angekommen ist eben Botschaft angekommen“. Und das bedeutet: Ziel erreicht.
Titelbild: publish! | Material: Adobe Stock
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Habe Ihren Post (Digital/Print) gelesen und stimme voll und ganz zu. Habe ein paarmal geschmunzelt, aber auch zustimmend genickt…
Dazu erlaube ich mir noch diese ergänzenden Gedanken:
Ich habe – im Volontariat als auch in den ersten Berufsjahren – gelernt, Themen zu bewerten, heißt: Sich zu fragen, ist XY überhaupt ein Thema? Warum? Und wenn ja: wie wichtig ist es, wie groß sollte man es bringen? Ist es ein Titelthema, ein Aufmacher? Oder eher ein „Mittelstoff“? Taugt es für eine prominente Seite oder reicht es auf einer anderen Seite? Wie lege ich das Thema hin – reich bebildert oder nicht? Hebe ich es optisch hervor oder nicht?
Ich halte all diese Fragen, die sich ein Journalist (normalerweise) vor der Veröffentlichung stellen sollte, für sehr wichtig, weil er mit der Wertung/Bewertung eines Themas, seines Umfangs und seiner Positionierung im Blatt Stellung bezieht.
All das entfällt (sehr oft) im digitalen. Da klicke ich ein Thema an und es läuft senkrecht den Bildschirm runter. Es gibt kein Themen-Umfeld, es gibt kein Links und Rechts. Es gibt keine Größen-Unterschiede bei den Überschriften. Fotos sind immer gleichgroß eingeklinkt oder hängen unten an.
Ich finde das Digitale großartig, weil es sehr schnell ist (was natürlich auch ein Nachteil sein kann, weil zuweilen Vieles unter Zeitdruck recherchiert voreilig rausgeht), weil es jederzeit abrufbar ist und – Asche auf mein Haupt – weil es meist kostenlos ist. Letzteres sag ich aber auch grummelnd, denn ich bin eigentlich ein Gegner der Gratis-Kultur.
Aber es hat gegenüber Print eben die oben beschriebenen großen Nachteile. Ich bin des digitalen Lesens, was ich in der Regel sieben Tage die Woche stundenlang mache, überdrüssig und freue mich regelrecht auf die gedruckte Zeitung am Frühstückstisch (auch wenn unsere hier in der Region journalistisch ziemlich grottig ist) und auf meine Lieblingsmagazine nachmittags beim Kaffee beim Italiener oder am Wochenende im Gartenstuhl. Ist das herrlich, in Ruhe blättern zu können, die Augen wandern (oder auch flanieren) zu lassen….
Und eben zu sehen, wie die Redaktion ihre Themen gewichtet hat – groß oder klein hingelegt, schmal oder breit, kurz oder lang…
Auch das Optische gerwinnt bei Print total, weil sich da Layouter Gedanken gemacht haben, wie man ein Thema hinlegen kann, damit es perfekt präsentiert ist.
Meine bessere Hälfte ist Layouterin bei einer großen Tageszeitung und ist in diesem Punkt derselben Meinung wie ich – ihre Online-Kollegen haben sich all diese Gedanken nie gemacht, mußten sich immer nur um rein technische Dinge kümmern, nicht um grafische, optische. Die waren immer ruckzuck fertig, während die Print-Layouter nach gebastelt und verschiedene Formen durchgearbeitet, Fotos neu zugeschnitten und Überschriften neu gestaltet haben, bis es perfekt war und alles auf der Seite paßte.
Alles hat halt Vor- und Nachteile – Digital ist, wie gesagt, ein großartiges Handwerkszeug, aber aus guten Gründen ist für mich Print doch Herzenssache.
Mit diesen Ansichten bin ich bei meinem Berliner Stammtisch für freie Journalisten immer etwas mitleidig angeschaut worden, aber das ist mir wurscht – und als Mittfünfziger muß man mit diesen Blicken heute halt leben.
In diesem Sinne herzliche Grüße aus Baden
Lieber Herr Santen,
vielen Dank für Ihren Kommentar, den wir durchaus so teilen. Wir hoffen auch in Zukunft, Sie für unsere Beiträge zu interessieren und vielleicht sogar zu begeistern.
Viele Grüße aus Hannover