Entschuldigung für die rüde Wortwahl in der Überschrift, aber ich kann einfach nicht anders: Als sich ein Gespräch kürzlich beim Würstchen-Grillen um Klopapier und verschiedene Vorlieben an dasselbe drehte, drängte sich bei mir ein Vergleich mit Printmagazinen auf. Wie bitte?!
Wer kommt eigentlich immer als erster auf solche Fragen? Zum Beispiel danach, wer – auf dem Klo sitzend – die Hose bis zum Knöchel herunterlässt und wer sie stattdessen auf Kniehöhe am Abrutschen hindert? Oder danach, wer die Klopapierrolle bevorzugt so in die Halterung hängt, dass das erste Blatt nach vorne zeigt anstatt nach hinten zur Wand?
Klos sind wahrlich eine Wissenschaft für sich. Und eine Denkfabrik. Manch einer soll sich ja sogar bevorzugt dorthin zurückziehen, um auf frische (bäh!) Gedanken zu kommen. Vielleicht weil’s ein ungestörtes, ein stilles Örtchen ist.
Dann sitzt da möglicherweise der amerikanische Zielgruppenforscher einer Klopapier AG und denkt: „Wir müssen mal das Abwischverhalten der Menschen analysieren.“ Sagt’s, knüllt das Klopapier und wischt sich den Hintern ab. Zeitgleich hat sein Kollege in Europa denselben Gedanken bei einem vergleichbaren Reinigungsprozess. Sagt’s, faltet das Klopapier und wischt sich den Hintern ab.
Klopapier-Knüller und Klopapier-Falter
Ein kleiner, aber feiner Unterschied, den ich erst seit besagtem Grillabend und späterer Internetrecherche kenne: Es gibt Knüller und Falter, sogar nach feinen geografischen Unterschieden unterteilbar.
In den USA beispielsweise formen fast 50 Prozent aller Klopapier-Anwender das Reinigungsgerät zu dicken Kugeln, bevor sie damit ans Geschäft gehen. Sie knüllen also. In England sind es sogar 66 Prozent. Wir Deutschen wiederum falten in 83 Prozent der Fälle stabile Abwisch-Bündel (ja, „Ordnung und Sauberkeit“ auch auf dem Klo).
Nun mag es kurios klingen, sich tiefergehend mit dem „Abwischverhalten nach geografischer Lage“ zu beschäftigen. Aber von wegen: Die Klopapier-Marktforscher machen es genau richtig. Denn sie erforschen, was ihre Zielgruppe will. Und wie das eigene Produkt deshalb konzipiert sein muss.
Dünne Briten, dicke Deutsche
Beispiel Knüller-Länder wie England: Deren Klopapier ist weich und vor allem dünn – denn dickes lässt sich schwerer zu Kugeln verarbeiten. Deutsches Klopapier wiederum ist, unseren Vorlieben angepasst, weich und dick (wann gibt es endlich welches mit 18 Lagen?). Weil wir es nämlich reißfest haben wollen, um es auch zweckentfremdet anwenden zu können – zum Naseputzen (60 %), Make-up-Entfernen (8 %), Spiegelwischen (7 %), Kinder säubern (3 %) und Klo verzieren (dank Margeriten-Aufdruck braucht’s keine IKEA-Plastikblumen mehr).
Bedeutet: Jede Klientel bekommt das passende Papier.
Womit der Bogen geschlagen wäre zu unserer, der Print- (und Online)magazin-Branche.
Wie mögen es unsere Leser?
Wenn wir ein Produkt erschaffen, dann forschen wir nach den Bedürfnissen unserer Leser, um diese Bedürfnisse in unseren Beiträgen zu beantworten. Dafür fragen wir uns vorher: Was erwarten unsere Leser beziehungsweise die Leser unserer Kundenmagazine? Mögen sie es lieber brav und gelackt oder darf es krachen? Mögen sie es monothematisch oder bunt gemischt? Wollen sie es sprachlich anspruchsvoll oder blumig?
Kurzum: Wenn wir nach der richtigen Zielgruppe forschen, dann schreiben und gestalten wir Magazine, die überall gerne gelesen werden – auch auf der Denkfabrik. Schreiben und gestalten wir einfach drauf los, taugt ein Magazin zu nichts. Außer vielleicht zum Arsch abwischen.
Titelfoto: cydonna / photocase.de
Auch interessant: