Das Thema Instinkt in der Fotografie fasst – eher zufällig – diesen Teil unserer Serie „Bilder erzählen Geschichten“ zusammen: Als unsere Stammfotografen Karsten Klama und Cornelis Gollhardt ihre Bilder geschickt hatten, fand ich in meinem Archiv ein Foto, das ebenfalls mit Gespür für den richtigen Moment zu tun hat. Aber seht selbst.
„So sehen Sieger aus! Könnte man meinen. Dabei freuen sich die Tänzerinnen und Tänzer vom TSV Buchholz über einen fünften Platz. Sie nahmen 2015 das erste Mal an der deutschen Meisterschaft der Formationen Standard und Latein teil. In den Katakomben der Bremer Stadthalle drehten sie in ihrer provisorischen Umkleidekabine nach dem Auftritt ihren Gettoblaster auf und tanzten wie verrück. Gleichzeitig erhielten die Siegerteams auf dem glänzenden Parkett ihre Medaillen.
Manchmal lohnt es sich für Fotografen, ihrem Instinkt und Gehör zu folgen: Während die Sieger im Rampenlicht standen, fand die Überraschungsparty im Keller statt und war dann eine eigene Geschichte wert.“
Der DJV zeichnete das Foto im März 2016 beim Bremer Fotopreis in der Kategorie „Land & Leute“ aus.
„Das Bild ist in Frankfurt während einer Produktion für eine große Anwaltskanzlei entstanden. Die Kanzlei wollte Fotos, die deren verschiedene Standorte frei illustrieren. Einer der seltenen Traumjobs, bei denen der Kunde sagt: ‚Mach einfach mal.‘
Beim Fotografieren geht es mir ums Loslassen. Ich möchte mich in einen Zustand versetzen, in dem ich durchlässig werde für alles, was mich umgibt – ein Zustand, in dem die Bilder einen finden und nicht umgekehrt. Dann wird plötzlich eine völlig unspektakuläre Straßenecke zur Bühne: Das Licht geht an für diesen einen Moment, der Verkehr bewegt sich, Auftritt, Abgang, …“
„Dieses Foto ist aus einer Reportage über Olaf Dinné: In seinem Jazzlokal „Lila Eule“ in Bremen traf sich in den 68er-Jahren die Außerparlamentarische Opposition, mit SPD-Abtrünnigen verhinderte Dinné eine Schnellstraße mitten in Bremen, 1979 war er einer der ersten vier grünen Politiker in einem deutschen Landtag. Bis heute ist der gebürtige Schlesier und Architekt in Bürgerinitiativen aktiv, sein Haus ist eine Erwachsenen-WG (man könnte auch sagen: Kommune), und nach dem Fußballspielen – seit mehr als 45 Jahren – springt der mittlerweile Achtzigjährige mit seinen Kumpeln auch bei eisigen Novembertemperaturen in die eiskalte Weser.
Ich beobachtete fasziniert, wie die Männer aus dem Wasser kletterten, sich an ihrem Leben erfreuten und gut gelaunt im öffentlichen Raum nackt zu ihren Handtüchern spazierten. Als sie sich abtrockneten, fotografierte ich unauffällig. Und traf genau den entscheidenden Moment: Das Foto erzählt und zeigt viel … aber nichts untenrum.“
Das Bundesinnenministerium zeichnete die Reportage, zu der das Bild gehört, 2012 im Wettbewerb „Chance Demografie: Weniger? Älter? Na und …“ aus.
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