Fotojournalismus: Unsere erste Wahl

Unser Credo, dass Kundenmagazine journalistisch sein sollten, predigen wir nicht nur für Texte. Auch in der bildlichen Darstellung sind Unternehmen mit Fotojournalisten besser bedient als mit Werbefotografen. Zum Abschluss unserer Serie „Bilder erzählen Geschichten“ erklären wir, warum.

Die Unterschiede sind gewaltig: Wo sich tagsüber und abends Touristen mit ihren Smartphones vor der Skyline von Shanghai tummeln und in diesem hektischen Tumult mit Selfie-Sticks um die besten Positionen kämpfen, strahlt die Hochhauskulisse nachts architektonische Ruhe aus und spiegelt sich im vorbeifließenden Jangtsekiang. Früh morgens wiederum erzählt der Ort noch einmal eine ganz andere Geschichte: wenn Einheimische ihre Drachen in den nebligen Himmel steigen lassen.

Ein Ort, drei Situationen. Der Fotograf Manuel Hauptmannl aus Frankfurt hat sie alle drei beobachtet. Mit seinem Bild vom Drachensteigenlassen – zu sehen in Teil III unserer Serie „Bilder erzählen Geschichten“ – demonstriert er, wann Fotografie besonders stark ist.

  • Wenn sie eine Geschichte erzählt.
  • Wenn sie einen neuen Ansatz für diese Geschichte findet – an einem Ort, der schon Abermillionen Male fotografiert worden ist.

Dass das funktioniert, bestätigt auch Karsten Klama: in Teil II unserer Serie:

Manchmal lohnt es sich für Fotografen, ihrem Instinkt und Gehör zu folgen: Während die Sieger im Rampenlicht standen, fand die Überraschungsparty im Keller statt und war dann eine eigene Geschichte wert.

Was ist Fotojournalismus?

Nun lässt sich trefflich darüber diskutieren, wie man diese Form der Fotografie nennen soll. Fotojournalismus? Reportagefotografie? Erzählende Fotografie? Völlig egal, welche Definition man wählt: In allen Fällen geht es darum, Geschichten in fotografischer Form zu erzählen – und zwar möglichst authentisch beziehungsweise situativ. Fotojournalismus ist also eine beobachtende Fotografie.

Welche Darstellungsformen gibt es im Fotojournalismus?

Es gibt drei gängige Möglichkeiten im Fotojournalismus. Hinzu kommt die journalistische Porträtfotografie.

Illustration und Definition von Fotoreportage, Essay und Serie im Fotojournalismus.
Formale Unterschiede: Eine Fotoreportage erzeugt Dramaturgie mit Distanzwechswechseln, und die Fotos ergänzen sich gegenseitig. In einem Essay transportiert jedes Foto das Thema gleich stark, und jedes Bild muss auch für sich selbst stehend eine klare Aussage haben. Eine Serie lebt von der Vergleichbarkeit ihrer Fotos.

Fotoreportage

  • Eine Fotoreportage hat immer einen Fixpunkt, an dem sich der Betrachter orientieren kann: Sie dreht sich entweder um eine Person (diese kann sich an wechselnde Orte bewegen), einen Ort (dort können wechselnde Personen auftauchen) oder einen Vorgang.
  • In einer Reportage ergeben alle Fotos zusammen eine in sich geschlossene Geschichte. Ein einzelnes Foto aus der Reportage allein reicht also nicht aus, um das Thema darzustellen, sondern zeigt nur einen Teilaspekt. Fotoreportagen funktionieren daher nur in der Gesamtheit aller Fotos.
  • Durch häufige Distanzwechsel erzeugen Fotoreportagen eine Dramaturgie. Möglichkeiten: Panorama, Totale, Halbtotale, Nahaufnahme und Detail.
  • Der Fotograf folgt seinem Sujet wie ein Schatten. Es gibt also keinerlei Reaktion der handelnden Person auf den Fotografen – als sei er unbeobachtet.

Eine Reportage zieht uns in eine Geschichte hinein. Der Betrachter sollte das Gefühl haben, dabei zu sein. Gute Fotojournalisten haben ein Gespür für den richtigen Moment. Und sie schaffen es, Emotionen zu wecken.

Ein Beispiel für eine Weltklassereportage, die zugleich extrem berührend ist: „A Star in the Sky“ von Thomas Lekfeldt über die Krebserkrankung eines jungen Mädchens.

Essay

  • Der Essay ist eine unsystematische, aspekthafte Darstellung eines Themas.
  • Verkürzt gesagt: Jedes Foto eines Essays ist eine Fotoreportage in einem einzigen Bild. Ein Essay besteht zwar aus einer Reihe von Fotos; anders als in einer Reportage muss ein einzelnes Foto aus dem Essay die Geschichte aber auch allein erklären können.
  • Ein Essay transportiert mehr Meinung des Fotografen als eine Reportage. Grund: Mit jedem Foto muss der Fotograf die These seines Themas beweisen.

Während eine Fotoreportage vergleichsweise objektiv ist, transportiert ein Essay ganz klar eine – subjektive – Meinung.

Ein Beispiel für einen Essay, in dem die Meinung der Fotografin „Skurrilität von Massentourismus“ in jedem Bild mitschwingt: „Benidorm“ von Nicole Strasser. Dasselbe Thema, ja, sogar derselbe Ort könnten in einem Essay „Pro Massentourismus“ komplett anders aussehen.

Serie

  • Jede Serie hat ein Thema, zeigt aber Varianten dieses Themas.
  • Bildinhalt und Bildaufbau einer Serie sind auf den ersten Blick gleich. Die Serie lebt davon, dass der Betrachter die Unterschiede in den Fotos sucht (und findet).

Ein Beispiel für eine Porträtserie ist „Silent Warriors“ von Eric Klemm. Jedes Foto hat den gleichen Bildaufbau (weißer Hintergrund, Person in der Halbtotalen) und den gleichen Bildinhalt (Ureinwohner im Porträt). Nur die Porträtierten ändern sich.
Ein weiteres Beispiel ist „Twelve Queens“ von Anna-Kristina Bauer über sogenannte Produktköniginnen (von der Hopfen- bis zur Blütenkönigin). Ihre Serie charakterisiert sich dadurch, dass die Königinnen – auch wenn sie jeweils andere Kleidung tragen – eindeutig als Königinnen erkennbar sind. Nur das Umfeld, in dem sie sich bewegen, ändert sich.

Journalistisches Porträt

  • Das journalistische Porträt zeigt eine Person möglichst neutral – anders als zum Beispiel auf einem klassischen Bewerbungsfoto mit aufgesetztem Lächeln.
  • Ein journalistisches Porträt nutzt die Umgebung, um seine Aussagekraft zu stärken. Entweder, die Person ist vor einem unaufgeregten Hintergrund platziert, um den Fokus auf die Person zu lenken. Oder der Hintergrund ist bewusst ins Bild mit eingebunden, um die Person in ihrem Umfeld zu zeigen. Das meint auch Bildredakteurin Vivian Balzerkiewitz von der „SZ am Wochenende“, wenn sie im Interview sagt: „Man sollte Personen in einen Kontext stellen: den Schützenkönig auf dem Schützenplatz zum Beispiel.“

Fotojournalismus im Content-Marketing

Wer mit seinen Kundenmagazinen so auftreten möchte wie ein Kioskmagazin, der kommt an Fotojournalismus nicht vorbei. Und Beispiele für diese Darstellungsformen im Content-Marketing gibt es zur Genüge.

Frankia-Kundenmagazin „Unterwegs“

Porsche-Sports-Cup-Fharer Heino Bröer steht in der Tür seines Frankia-Wohnmobils.
Journalistisches Porträt in einer Fotoreportage über Porsche- und Frankia-Fahrer Heino Bröer.
Porsche-Sports-Cup-Fahrer Heino Bröer in der Werkstatt, während eines Rennens und bei der Fahrt über die Ziellinie.
So geht Fotoreportage: Distanzwechsel und mittendrin statt nur dabei.
Heino Bröer nimmt nach einem Rennen seinen Helm ab. Auf einem zweiten Foto ist er auf der Rennstrecke zu sehen.
Abschlussbild: typisch für Fotoreportagen.

Hamburger-SV-Mitgliedermagazin „supporters news“

Auf einem Fußballplatz in Ochsenzoll spielt die Kreisliga-Mannschaft des Hamburger SV gegen die TuS Hasloh.
Worum geht’s? Das zeigt das Aufmacherfoto.
Das Kreisliga-Team des Hamburger SV in der Umkleidekabine, bei der Besprechung vor dem Spiel und beim Warmlaufen.
Auch hier zeigt sich: Fotos einer Reportage variieren in ihrer Distanz. Dieser Rhythmus erzeugt Spannung.
HSV-Fans stehen mit einer Fahne am Spielfeldrand. Ein Spieler wird während des Spiels neben der Außenlinie behandelt. Spieler und Trainer auf der Ersatzbank schlagen die Hände über dem Kopf zusammen. Ein HSV-Spieler klatscht mit seinem Gegenspieler ab. Nach dem Spiel werden die Schuhe gesäubert. Unter der Dusche gibt's ein Bier.
Wie der Cowboy, der in den Sonnenuntergang reitet: Reportagen haben meist eindeutige Abschlussfotos.

HRS-Kundenmagazin „Check-in“

Kai Hollmann, Gründer der 25hours Hotels, sitzt auf einem Ledersofa in einem seiner Hotels. Er blickt nicht in die Kamera. Das Umfeld - eine Backsteinwand, ein Tischchen wie eine alte Schubkarre, das rote Sofa und eine große Stehlampe wie aus einem Fotostudio - zeugen von der Individualität der 25hours Hotels.
Dieses journalistische Porträt zeigt Hotelgründer Kai Hollmann in einem scheinbar beiläufigen Moment. Körpersprache und Umgebung geben dem Foto eine besondere Anmutung.

HRS-Geschäftsreisemagazin „Der Hotelexperte“

Puerto Madero in Buenos Aires, Rindfleisch auf einem Teller und ein Kellner mit einem Fleischteller in einem Restaurant
Jedes Foto für sich wäre zu wenig, um zu verdeutlichen, dass es in diesem Artikel um Buenos Aires geht. Die Summe aller Teile ergibt eine Reportage.
Menschen sitzen in einem Café in Buenos Aires. Ein Geschäftsmann läuft über die Avenida 9 de Julio, im Hintergrund ist der Obelisk von Buenos Aires zu sehen.
Unbeobachtet: Die Passanten scheinen den Fotografen nicht zu bemerken. Die Fotos zeigen damit ein authentisches Bild der Stadt.
Ein Taxi und ein Bus fahren in Buenos Aires an der Casa Rosada - dem Regierungsgebäude vorbei. Geschäftsreisende stehen in einer vollen U-Bahn. Und eine Aufnahme aus einem Hubschrauber zeigt die Hochhäuser am Ufer des Rio de la Plata.
Als würde man selbst am Straßenrand oder in der U-Bahn stehen: Fotojournalisten agieren so unauffällig wie möglich, um ihr Motiv nicht in ihrer Handlung zu beeinflussen.

Titelfoto: Adobe Stock

Auch interessant:

Bilder erzählen Geschichten, Teil III

Blink: Das Xing und die Suchmaschine für Fotojournalismus

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.