Gute Fotografie hat ihren Preis

Wer braucht schon teure Profifotografen, wenn’s mit der eigenen Spiegelreflexkamera viel billiger geht? „Genau“, bestätigt Nina Wild – selbst als Fotografin tätig. Oder?!

Zugegeben: Der Zusammenhang passt nicht ganz, weil es im Artikel von Nina Wild nicht um Reportage- und Business-Fotografie geht. Aber wir finden ihren Text „Elf einfache Schritte zu perfekten Bildern auch ohne geldgeile Profifotografen“ so pfiffig und auf den Bereich Content-Marketing übertragbar (man ersetze „Freund“ durch „Kollege“ und „Wald“ durch „schickes Treppenhaus“ und so weiter), dass wir ihn hier mit ihrer Zustimmung veröffentlichen.

 

 

Elf einfache Schritte zu perfekten Bildern auch ohne geldgeile Profifotografen

Hand aufs Herz, die meisten Fotografen sind einfach zu teuer. Sobald man die Preisliste sieht, klappt einem das Kinn bis zum Bauchnabel und man möchte einfach nur noch flüchten, aus Angst, für diese Auskunft auch noch blechen zu müssen (fragen kostet doch nichts, oder? Oder?!).

Die Zeiten in denen „Fotograf“ noch ein echtes Handwerk war, sind mit der fortschreitenden Digitalisierung längst verschwunden. Analog ist was für Liebhaber (aka Spinner), moderne Spiegelreflexkameras liefern geniale Ergebnisse, und wirklich was können muss man dafür auch nicht, schließlich sagt dir die Kamera schon beim Blick durch den Sucher, ob dein Bild richtig belichtet ist, und wenn man es dann doch mal verkackt hat, gibt’s ja zum Glück noch das Allheilmittel Photoshop.

Fazit: Hände weg von Fotografen, die für eine Handvoll Bilder mehrere Hundert Euro verlangen!

Der bessere Weg: Drückt doch lieber eurer besten Freundin oder eurem besten Freund eine Kamera in die Hand und lasst die ein paar Bilder von euch knipsen, die machen das schließlich gern und nehmen bestimmt kein Geld von euch. Und mit ein paar einfachen Schritten, die ich euch gleich verraten werde, bekommt ihr so wundervolle Bilder in der gleichen Qualität, wie sie euch der teure Profifotograf liefern würde!

Schritt 1:
Man sagt zwar immer, es komme nicht auf das Equipment an, aber wer fotografieren möchte, braucht auf jeden Fall mal eins: eine Kamera! Da ihr ja den Anspruch habt, hochqualitative Bilder zu machen, die später vielleicht sogar mal auf Leinwand oder Aludibond gedruckt werden sollen, ihr ja auch mal kreativ seid und bei Dämmerlicht oder in geschlossenen Räumen fotografieren wollt (hey, wenn wir schon ’ne Kamera anschaffen, soll die Freundin auch gleich meine Hochzeit mitknipsen, und in so ’ner Kirche geht es ja eher um Erleuchtung als um Beleuchtung), wäre es schon sinnvoll, zu einer Vollformatkamera zu greifen. Am besten nehmt ihr ein gängiges Modell, nicht das teuerste, nicht das billigste, ihr nehmt eine Canon 5D MK III, Kostenpunkt circa 2700 Euro. Eine Speicherkarte mit 16 GB bekommt man für 8 Euro ja schon fast geschenkt.

Schritt 2:
Ein Objektiv wäre gut. Super, Canon bietet auch Joghurtbecher, Entschuldigung … Objektive für knapp 100 Euro an! Rein in den Einkaufswagen!

Schritt 3:
Üben! Gib deiner Freundin oder deinem Freund mal ein Wochenende, um sich mit der Bedienung vertraut zu machen, und dann geht’s ab in den Wald für ein paar Probebilder! Hm, die Bilder sind alle verwackelt oder haben überall kleine Pünktchen? Könnte daran liegen, dass die Belichtungszeit zu lang war oder der Iso im dunklen Wald in enorme Höhen geschossen ist? Was er falsch gemacht hat, weiß unser frisch herangezüchteter Fotograf leider nicht, eigentlich weiß er gar nicht, was er überhaupt gemacht hat, außer auf den Knopf zu drücken, Automatikmodus sei dank. Also erst mal ab nach Hause und in einschlägigen Foren nach Lösungen für euer Problem suchen. „Aktgünter48-immer auf der Suche nach neuen Modellen“ schlägt vor, es mal mit Blitz zu versuchen, wenn die Belichtung nicht stimmt.

Schritt 4:
Blitz kaufen. Ihr habt Glück und sichert euch dank Canon Cashback ein Speedlight für circa 200 Euro, 20 Euro gibt’s auch noch wieder zurück! Wieder was gespart, was man nicht dem Wucherprofifotografen in den Rachen stopfen muss!

Schritt 5:
Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung! Und wieder geht’s ab in den Wald zum Testen, und wieder stellen wir fest, dass die Bilder irgendwie kacke aussehen (erst ging der Blitz nicht, dann ist der Wald zu dunkel oder das Gesicht ’ne weiße Fläche, was ist da los?!) Nun muss sich euer frisch gezüchteter Fotograf leider eingestehen, dass er keine Ahnung von Blitzen hat.

Schritt 6:
Fortbildung! Man lernt nie aus! Die Buchhandlungen und das Internet sind voller Fortbildungsliteratur. „Richtiges Blitzen“, „Kreatives Blitzen“, „Entfesseltes Blitzen“ (ne, also mit Fesseln haben wir nichts am Hut, das überlassen wir lieber „Aktgünter48-immer auf der Suche nach neuen Modellen“). Ihr kauft ein Buch für Einsteiger, Kostenpunkt circa 30 Euro. Eine Woche später hat euer Privatknipser das Buch durch, manches hat er verstanden, manches aber auch nicht, und ein erneuter Testshoot zeigt: Da ist noch ordentlich Luft nach oben! Diesmal macht ihr keine halben Sachen und schickt euren Privatfotografen zu einem Workshop von einem Wucherprofi (lohnt mehr als ein Fotoshooting, immerhin kann euer Privatfotograf euch so oft ihr wollt fotografieren, sobald er erst mal verstanden hat, worum es geht), Kostenpunkt circa 200 Euro.

Schritt 7:
Was ist das Ziel, und wie komm ich da hin? Beim Profiworkshop hat euer Privatknipser vor allem eins mitgenommen: Erst mal richtig fotografieren lernen, der Profi hat von irgendeinem „Manuela-Modus“ gesprochen, mit dem ihr euch zuallererst auseinandersetzen solltet. Da das mit der Literatur ja nicht so toll geklappt hat und ein erneuter Workshop so langsam echt ins Geld gehen würde, schaut ihr mal bei Youtube ein paar Tutorials an. Nachdem ihr euch so ein paar Nächte um die Ohren geschlagen und wieder und wieder die Bedienungsanleitung durchforstet habt, fühlt ihr euch so langsam bereit, manuell zu fotografieren. Eure Waldtestbilder werden diesmal okay, euer Privatfotograf kämpft zwar immer noch etwas mit Bildschnitt und Lichtsetzung, aber wenigstens sind die Bilder scharf. Genauso wie der Hintergrund im Übrigen, wie kann das denn sein? (Wenn man nah rangeht ist doch auch alles Matsche, aber sobald man mal ein Ganzkörperbild macht, nicht mehr? Hääää? Kann nur an der Blende liegen? Oder an der Brennweite? Oder an beidem?! Oder ist der Abstand an sich schuld? Wenigstens der Iso ist dieses Mal unschuldig!)

Schritt 8:
Nachbearbeitung: Wenn man beim Fotografieren versagt hat, kann man ganz einfach (fast) alles noch bei Photoshop retten. Die Creative Cloud gibt’s sogar schon ab circa 12 Euro im Monat, also 144 Euro im Jahr, ein Schnäppchen! Dank „Weichzeichner“ könnt ihr euch so die fehlende Hintergrundschärfe super nachträglich einzeichnen! Sieht blöd aus? Ihr spendiert eurem Privatknipser ein Webinar zum Thema Bildbearbeitung für Einsteiger, Kostenpunkt circa 60 Euro. Der lernt nun jede Menge toller Sachen über Ebenen, Kontraste, Gradationskurven, Tonwertkorrektur, vielleicht sogar etwas übers Pickelwegstempeln (dann muss er wenigstens die Haut nicht mehr weichzeichnen, Gott sei Dank!), aber Weichzeichner auf den Hintergrund zu klatschen und die Person dann mehr oder minder gut auszumaskieren erzielt immer noch nicht den gewünschten Effekt. Hm, wie wäre es mit einem neuen Objektiv, das euch das gewünschte Ergebnis direkt „out of cam“ liefert?

Schritt 9:
Nachbessern. Der Joghurtbecher bringt es nicht mehr, ihr wollt ein Objektiv, das eine tolle Unschärfe und ein zauberhaftes Bokeh liefern kann. Eine lange Brennweite und eine schöne Offenblende wären ein guter Start. Ihr entscheidet euch für das 135 mm 2.0 von Canon, der wunderbare Rotring kostet euch knapp 1000 Euro. Und wenn wir schon gerade dabei sind, bestellen wir auch gleich eine externe Festplatte dazu, so langsam quillt der PC nämlich über mit Dateien. Noch mal knapp 100 Euro.

Schritt 10:
Weiterüben. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, eure Bilder sind nun von technischer Seite aus ganz gut, bei Bildschnitt und Lichtsetzung hapert es immer noch, und so wirkliche Posing-Ideen habt ihr auch nicht. Euer Privatknipser hat sich mittlerweile in die Thematik eingelesen und folgt einigen Fotografen online; Zeit, ihn zu einem seiner Idole auf Workshop zu schicken, damit er lernt, den angestrebten Stil besser zu kopieren, Kostenpunkt circa 200 Euro.

Schritt 11:
Feinschliff. Euer Privatfotograf weiß inzwischen eine Menge über Fotografie und Bearbeitung und auch, was er alles braucht, um an sein Ziel zu gelangen. Ihr kauft also noch ein paar Kleinigkeiten wie ein paar Sets an Lightroompresets/Photoshopactions – circa 500 Euro – und ein paar Licht-Wolken-was-auch-immer-Overlays – circa 50 Euro.

Tadaaa, fertig ist euer eigener Privatfotograf! Ihr müsst ihn nicht bezahlen und könnt so viele Bilder haben, wie ihr wollt! Mag ja sein, dass der Profifotograf etwas mehr Erfahrung, vielleicht sogar Talent hat als euer Freund oder eure Freundin, aber so gehen die Bilder jetzt doch wenigstens in die richtige Richtung!

Rechnen wir jetzt also mal zusammen, was uns der ganze Spaß gekostet hat:

2700 Euro (Kamera)
8 Euro (Speicherkarte)
1100 Euro (2 Objektive)
180 Euro (Blitz)
30 Euro (Fotobuch)
460 Euro (Workshops/Webinar)
144 Euro (Photoshop)
100 Euro (externe Festplatte)
550 Euro (Actions/Presets/Overlay-Schnickschnack)
—————–
5272 Euro insgesamt

Wie gut, dass euer Privatknipser nur Hobbyist ist und nicht noch weiteres Geld für Gewerbeanmeldung, Handwerkskammer, Steuern für Vater Staat und private Krankenversicherung/Altersvorsorge abdrücken muss. Eine Website und Domain muss er auch nicht bezahlen, und versichert ist sein Equipment zum jetzigen Zeitpunkt auch noch nicht. Haben wir eigentlich schon über einen grafikstarken Computer für die Bildbearbeitung gesprochen? Der müsste dann übrigens auch noch kalibriert werden, aber solange ihr eure Fotos bei DM ausdruckt, ist die Mühe eh für die Katz.

Die ganze Zeit, die ihr mit Herumprobieren, Recherchieren, Nachlesen und dann ultimativ auch für eine ordentliche Retusche verschwendet habt, kommt im Übrigen noch hinzu, dafür lässt sich nur schwer ein Wert ermitteln, daher hoffe ich einfach mal, dass euch das ganze wenigstens ganz dolle Spaß gemacht hat, sonst könnt ihr es nämlich leider unter „verschwendeter Lebenszeit“ abhaken.

Seid ihr geschockt von dieser Beispielrechnung? Ist euch das etwa immer noch zu teuer? Dann versucht es doch mal bei einem netten Hobbyfotografen, da weiß man zwar nie, an wen man gerät, aber der macht es billiger, vielleicht sogar ganz umsonst, hey, „Aktgünter48“ sucht schließlich noch nach Modellen, nicht wahr?

DISCLAIMER: In meinem Beitrag geht es nicht darum, Hobbyfotografen durch den Kakao zu ziehen, sondern lediglich darum, aufzuzeigen, was ein Fotograf alles bieten muss, wenn er ein Fotoshooting anbietet. Meine Rechnung ist beispielhaft und enthält bei Weitem nicht alle Kosten, die Fotografen tragen, vielleicht erlangt der ein oder andere so aber dennoch ein besseres Verständnis dafür, wie die Preise für Shootings zustande kommen.

 

Foto: marshi / photocase.de

 

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Zur Autorin:

Nina Wild betrieb Fotografie anfänglich nur als Hobby, ehe sie Gefallen daran fand, Hochzeiten und Mensch-Tier-Bilder in Auftrag zu fotografieren. Auf ihrem Blog schreibt die Amerikanistik- und BWL-Studentin über Fotografie, digitale Medien und ihre Arbeiten. www.fourcornersphotography.de/blog