Virtual Reality: Neue Perspektiven fürs Marketing

Virtual Reality ist auf dem Vormarsch. Immer besser und immer günstiger soll die Technik im Laufe der kommenden Jahre werden. Das birgt riesige Chancen für die Werbebranche. Einige Unternehmen haben das VR-Marketing bereits für sich entdeckt.

In den Neunzigerjahren war der Hype um Virtual Reality schon einmal groß, der große Durchbruch scheiterte allerdings am damaligen Stand der Technik. Mittlerweile ermöglichen Virtual-Reality-Brillen lebensechte Trips in ferne Welten und könnten schon bald nützliche Helfer bei der täglichen Arbeit sein. Fest steht jedenfalls: Seit 2015 die ersten Smartphone-basierten – und damit erschwinglichen – VR-Brillen auf dem Markt erschienen sind, gelten die sogenannten Head Mounted Displays (HMD) auch endlich als massentauglich. Nicht zuletzt aus diesem Grund wächst die Neugier der Endverbraucher auf die Technik immer mehr. Die Folge: Allein im vergangenen Jahr besaß bereits jeder sechste Deutsche ein Virtual-Reality-Headset oder plante die Anschaffung innerhalb der kommenden zwölf Monate – so das Ergebnis der Studie „Content Marketing meets Virtual Reality“ des internationalen Marktforschungsinstituts Yougov. Besonders affin für die VR-Brillen sollen demnach Männer zwischen 18 und 39 Jahren sein, die über ein vergleichsweise hohes Einkommen und oftmals über einen Universitätsabschluss verfügen.

VR-Technik mit Smartphones: Um Filme im lebensechten 360-Grad-Modus sehen zu können, wird der Blick des Menschen durch die zwei Linsen der Datenbrille direkt auf das Smartphone geleitet. Das Gehirn erstellt daraus dank stereoskopischer Illusion (auch doppeläugiges Sehen genannt) ein räumliches 3‑D-Bilderlebnis. Bewegt man seinen Kopf dann hin und her, wird dies an Sensoren weitergeleitet, die das Signal direkt auf die künstliche Realität übertragen. Durch Headsets können außerdem Geräusche wahrgenommen werden – das macht virtuelle Welten noch realistischer.

 

Das große Potenzial von Virtual Reality haben auch viele deutsche Unternehmen bereits erkannt: Sie planen, bis zum Jahr 2020 rund 850 Millionen Euro für innovative Virtual-Reality-Anwendungen auszugeben, das besagt die Gemeinschaftsuntersuchung „Head Mounted Displays in deutschen Unternehmen – ein Virtual-, Augmented- und Mixed-Reality-Check“ von Deloitte, FIT und Bitkom. Denn auch wenn Virtual Reality im Arbeitsalltag noch nicht angekommen ist – die Aussichten sind vielversprechend: So könnten die Head Mounted Displays künftig ein nützliches Hilfsmittel bei Operationen sein oder auch Ingenieuren dabei helfen, Reparaturen an Windrädern vorab zu simulieren.

Chancen fürs Content-Marketing

Auch das Unternehmensmarketing wird mithilfe der VR-Technik entscheidend verändert oder zumindest um ein weiteres Element bereichert werden. Das besondere Potenzial der VR-Brillen liegt in der technologieverstärkten Customer-Experience – und diese ist deshalb so wertvoll, weil bei Menschen die Informationsaufnahme und deren Verknüpfung mit dem Langzeitgedächtnis besonders gut funktioniert, wenn beides mit Emotionen verbunden ist. Letzteres fördert die 3-D-Brille besonders stark – und erzeugt neben nachhaltigen Erlebnissen auch noch einen Mehrwert für den potenziellen Kunden. Einige Unternehmen haben das sogenannte VR-Marketing deshalb bereits als eigenen Kanal in ihre Content-Marketing-Strategie eingebaut:


Tourismus mit virtuellen Appetithäppchen

Ganz vorn dabei ist die Touristikbranche. Mittlerweile gibt es diverse Anbieter, die auf Virtual Reality setzen. Den Anfang machte 2015 der Konzern Thomas Cook, als dieser VR-Brillen als zusätzliche Serviceleistung in diversen Reisebüros aufnahm. Der Mehrwert für den Nutzer? Ein „Einkaufserlebnis zum Anfassen“, so Mat Wilde, Innovation Manager bei Thomas Cook. Denn bevor Kunden sich für ein Reiseziel entscheiden, können sie nun in mehrminütige virtuelle Urlaubs- und Sightseeingtrips eintauchen und so feststellen, ob ihnen das Ziel überhaupt gefällt. Gleiches gilt für diverse Zimmertypen, Spabereiche und Außenanlagen ausgewählter Hotels und Ketten. Technikfans, die bereits eine eigene VR-Brille zu Hause haben, brauchen aber nicht extra den Weg ins Reisebüro anzutreten. Denn der Konzern hat mittlerweile auch über fünfzig Videos auf der Unternehmenswebsite cook.de zur Verfügung gestellt. Tendenz steigend.

Bei Marriot wird Hotelgästen in New York und London die Brille sogar per „V-Room-Service“ aufs Zimmer geliefert. Vom Kingsize-Bett aus können sie sich dann in eigens für die Luxuskette produzierten Reisevideos umsehen und gleich überlegen, in welchem Marriott-Haus sie als Nächstes absteigen möchten. Die Buchung erfolgt dann entweder auf digitalem Weg im Internet oder ganz analog an der Rezeption.

Futuristisch tickt auch die Lufthansa. Die deutsche Airline hat eine Anwendung entwickeln lassen, mit der es per VR-Brille unter anderem möglich ist, Sitzklassen im Flugzeug zu besichtigen. So können potenzielle Kunden schon vor dem Abheben einschätzen, ob ihnen die Beinfreiheit in der Economy-Class ausreicht oder sich der Aufpreis für die nächste Kategorie lohnt.

Neben Marketingaktivitäten rund um den Buchungsprozess könnte künftig auch das Reisen an sich von der Virtual Reality beeinflusst werden. Heißt: Noch können Nutzer sich in virtuellen Welten zwar „nur“ umsehen, früher oder später sollen sie sich dort aber auch bewegen und sogar interagieren können. Sitzungen mit der Brille könnten die Reise also ersetzen – lange Touren mit Flugzeug und schwerem Gepäck wären damit unnötig.


Hausbesichtigung im Showroom

Auch die Immobilienbranche wird langfristig vom VR-Marketing stark beeinflusst werden. Noch steht die Technik zwar am Anfang, erste Anwendungsentwickler haben sich aber bereits auf die 3-D-Kreation künstlicher Bauareale spezialisiert. Einen Schritt weiter ist ein Münchener Immobilienunternehmen. Hier gibt es sogar einen Showroom, in dem mittels Head Mounted Display noch nicht realisierte Immobilienprojekte bereits im Vorfeld besichtigt werden können – Sensoren an der Decke und in der Brille machen es möglich. Neben Bauträgern oder Büromietern sollen langfristig auch private Bauherren mithilfe der virtuellen Welten angesprochen werden. So könnten Letztere ihr neues Domizil sogar schon vor der Grundsteinlegung einrichten und gestalten.


Virtuelle Probefahrt

Ganz große Pläne haben auch die deutschen Autobauer. So hat Audi einige Händler bereits mit VR-Brillen ausgestattet, die es Kunden ermöglichen, den Wunschwagen in der favorisierten Ausstattung und Farbe anzuschauen, obwohl kein passendes Modellfahrzeug vor Ort ist. Sobald sie die Brille auf dem Kopf haben, können sie auch um das Auto herumschreiten und es von allen Seiten betrachten. In naher Zukunft soll den potenziellen Käufern der Gang ins Autohaus sogar gänzlich erspart werden – es sei denn, sie wollen den Wagen dann schon kaufen.

Kurz vor der Einführung einer noch größeren technologieverstärkten Customer-Experience steht Konkurrent Ford. Bereits im Sommer 2018 könnte mit der neuen Focus-Generation die Probefahrt per VR-Brille eingeführt werden. Der Vorteil: Mit Etablierung und Ausweitung dieser Anwendung könnten potenzielle Käufer künftig schon vor dem ersten Besuch im Autohaus mehrere Modelle ausprobiert haben.


Whiskeyherstellung miterleben

In der Lebensmittelbranche ist Jim Beam einer der Vorreiter: Durch VR-Marketing für den neuen Bourbon „Devils Cut“ lernen Fans der Whiskeymarke die Herstellungsgeschichte des edlen Tropfens hautnah kennen – und das aus Sicht des Flüssigprodukts. Dafür begeben sie sich auf eine virtuelle Reise durch Schläuche, Rohre und Fässer, bis das Produkt schließlich im Glas landet. Das Unternehmen aus Kentucky dürfte damit in erster Linie Appetit wecken wollen, es schafft gleichzeitig aber auch eine nachhaltige Bindung zwischen Kunden und Ware – ganz im Sinne des Content Marketings. Zudem hat die VR-Technik auch für das Publikum einen gewissen Mehrwert: Die Nutzer werden in die aufwendigen Herstellungsprozesse eingeweiht und lernen das Produkt besser kennen.

Welche Brillenarten gibt es? Bereits jetzt gibt es auf dem Markt diverse Brillenmodelle. Unterschieden wird zwischen eigenständigen VR-Brillen mit Display wie der Oculus Rift (rund 700 Euro) und jenen VR-Brillen, die nur im Zusammenspiel mit Smartphones funktionieren. Besonders gängig ist hier die Samsung Gear VR (rund 100 Euro), die das virtuelle Erlebnis mit dem Samsung Galaxy Note 4 möglich macht – und kostengünstig nach Hause holt. Die nächste Generation der VR-Brillen dürfte spätestens in zwei Jahren auf den Markt kommen. Bei den neuen Modellen werden dann bisherige Kinderkrankheiten, wie ein zu enges Sichtfeld, beseitigt und die Auflösung noch höher sein.

Fazit:

Die ersten, zaghaften Versuche der Unternehmen, Virtual Reality in ihre Marketingstrategien einzubauen, machen es bereits deutlich: Richtig eingesetzt bietet die Technik den Konsumenten große Mehrwerte und zusätzliche Kaufanreize für Produkte und Dienstleistungen. Für Unternehmen lohnt es sich daher aus mehreren Gründen, die VR-Brillen beim Content-Marketing nicht außer Acht zu lassen: Die Geräte sind jetzt im erschwinglichen Preissegment angekommen (sowohl für Anbieter als auch für die Verbraucher) und werden zunehmend beliebter, zudem wird die Technik immer mehr perfektioniert und die Konkurrenz ist noch recht überschaubar. Neben Marketern aus dem Tourismus-, Immobilien-, Lebensmittel- und Automobilsegment sollten langfristig auch Werbetreibende der Technologie-, Ernährungs-, Film- und Unterhaltungsbranche die Vorzüge des VR-Marketings nutzen.

 
Titelbild: publish! | Material: Adobe Stock

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