„Gute Vereinsmagazine stiften Identität“

Wer ein Mitgliedermagazin oder eine Verbandszeitschrift erstellt, sollte seine Leser damit informieren – aber unbedingt auch unterhalten. Warum professionelle Magazine für Vereine und Verbände so wichtig sind und welche Rolle Content-Marketing spielt, erklärt publish!-Geschäftsführer Thorsten Ewert.

Immer mehr Vereine und Verbände setzen, ähnlich wie Unternehmen, auf Content-Marketing in Mitgliedermagazinen. Warum halten Sie das für notwendig?

Vereine und Verbände haben letztlich ähnliche Ziele wie ein Unternehmen: Sie wollen ihre Mitglieder an sich binden und darlegen, wofür Mitgliedsbeiträge und Spendengelder verwendet wurden. Außerdem haben sowohl Unternehmen als auch Vereine und Verbände eine Zielgruppe: Kunden auf der einen Seite, Mitglieder auf der anderen Seite. Es geht darum, durch entsprechende Maßnahmen eine möglichst hohe Akzeptanz bei den Mitgliedern zu erlangen.

Verbandszeitschriften beziehungsweise Mitgliedermagazine gibt es aber doch schon seit Ewigkeiten. Content-Marketing scheint das Gleiche zu sein, nur mit anderen Worten…

Nicht ganz: Vereine müssen mit ihren Medien mittlerweile mit etlichen Medienkanälen und Special-Interest-Magazinen konkurrieren. Es ist ein regelrechter Kampf um Aufmerksamkeit entbrannt. Vereine haben keine Chance, wenn sie eingesandte Materialien einfach in ein Heft drucken und an ihre Mitglieder verschicken. Oder wenn ein paar engagierte Mitglieder nach gut Dünken schreiben, was sie selbst interessiert, anstatt sich zu fragen, was für alle Vereins- oder Verbandsmitglieder relevant sein könnte. Damit ein Magazin wirklich erfolgreich ist – sprich: damit es gelesen und nicht nur schnell überflogen wird –, braucht es eine Struktur und Abwechslung: Reportagen, Bildstrecken, Interviews und Berichte. Und zwar mit Relevanz, Unterhaltungswert und hohem Nutzwert.

An spannenden Geschichten dürfte es in Vereinen und Verbänden eigentlich nicht mangeln. Vereine und Verbände drucken dennoch häufig – wie Sie sagen – eingesandte Materialien einfach in ein Heft. Woher kommen diese Hemmungen, und welche Empfehlung haben Sie als Starthilfe?

Diese Hemmungen haben vor allem einen Grund: ein Verein oder Verband hat – ebenso wie Unternehmen – häufig den Drang, sich selbst in den Fokus rücken zu wollen. Dann ist der Vereinspräsident im Mitgliedermagazin auf sechs Seiten fünf Mal dargestellt. Das hat aber für den Leser überhaupt keinen Mehrwert. Deshalb sollte man sich als Institution im Hintergrund halten. Die Leser werden die Botschaft hinter einem Artikel – und von wem die Botschaft kommt – trotzdem verstehen. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zu den interessanten Geschichten: Anstatt zu überlegen, wie man die zehnte Scheckübergabe denn jetzt noch interessant hinbekommen soll, erzählt man die Geschichte über die Empfänger der Schecks: Was sie machen, wer sie sind und was die Spende bewirkt. Mitunter fehlt aber auch schlichtweg die journalistische Kompetenz, richtige Geschichten zu erkennen.

Welche weiteren Ressentiments beobachten Sie beim Umstieg vom klassischen Mitteilungsheft hin zu Magazinen, die auf Storytelling setzen?

Vereine und Verbände haben manchmal die Befürchtung, ein Mitgliedermagazin könnte zu professionell aussehen: Die Mitglieder könnten ja sagen, das Geld sollte für etwas Besseres ausgegeben werden, zum Beispiel zum Senken der Mitgliedsbeiträge. Solche Leute wird es aber immer geben, und natürlich kann man Geld immer anders einsetzen als für ein Magazin. Auf der anderen Seite haben Vereine wie auch Verbände aber eine Informationspflicht, und ein gutes Magazin mit guten Geschichten fördert das Wir-Gefühl – vor allem, wenn Mitglieder nach wie vor eingebunden sind. Ein gutes Mitgliedermagazin ist identitätsstiftend und bindet die Mitglieder an die eigene Institution.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, wenn Vereinsmitglieder plötzlich zu Redakteuren werden und mitgestalten wollen?

Das hängt stark davon ab, wie redaktionell die Leute denken. Wer gut schreiben kann, gibt einem Magazin durchaus eine authentische Note. Als Agentur ist man nie so sehr an der Basis wie ein Verbandsmitglied. Wichtig ist aber, ehrenamtliche Autoren an die Hand zu nehmen und auch mal zu bremsen, wenn ihre Ideen dem Grundkonzept eines Magazins widersprechen. Auch muss es gestattet sein, professionell zu redigieren – denn letztlich hat eine Agentur dafür das nötige Rüstzeug und das Gesamtprojekt im Blick.

Was sind die größten Stolpersteine beim Start?

Der Spruch „Haben wir immer schon so gemacht“! Man muss den Mut haben, sich von Altem zu trennen und offen zu sein für neue Ideen. Und dann Analyse betreiben: Was haben wir bisher gemacht? Wer ist unsere Zielgruppe – und haben wir uns bisher überhaupt mit ihr auseinandergesetzt? Und letztlich: Mit welchem Konzept können wir unsere Zielgruppe erreichen? Darüber muss man sich zu Beginn den Kopf zerbrechen und nicht, wenn das erste neue Magazin schon erschienen ist. Diese Konzeptionsphase braucht viel Zeit und erfordert einen intensiven Austausch untereinander.

„Zielgruppe“ haben Sie jetzt schon zum zweiten Mal angesprochen. Was ist denn die Zielgruppe eines Vereins oder Verbands?

Die Mitglieder. Aber das wäre zu kurz gegriffen: Viele Vereine sind ja ein Abbild der gesamten Gesellschaft, ihre Mitglieder sind Handwerker oder Akademiker, Schüler oder Rentner, männlich oder weiblich. Im Idealfall hat ein Verein und Verband entsprechende Daten und Fakten über seine Mitglieder, zum Beispiel über das Alter und die Berufe. Durch Überschneidungen lassen sich Personas entwickeln, also sozusagen Max Mustermitglied. Oder man fragt die Mitglieder einfach direkt nach ihren Interessen. Dieses Wissen ist aber wichtig, um immer wieder abzuprüfen: Schreiben wir gerade für diese Zielgruppe?

Haben Sie ein gelungenes Beispiel, wie Content-Marketing und Storytelling im Idealfall bei Vereinen und Verbänden aussehen kann?

Ein Projekt, das mich im vergangenen Jahr begeistert hat, ist die „Bootstour“ der Seenotretter. Dort haben sich ein Redakteur, ein Videojournalist und ein Fotograf mit einem Bulli und einem überdimensionalen Sammelschiffchen auf eine Reise quer durch Deutschland begeben. Auf der Suche nach Gesprächspartnern zu den Themen Rettung und Hoffnung. Entstanden sind authentische Geschichten und Interviews in Wort, Bild und Film. Diese wurden täglich in Echtzeit von unterwegs über Twitter & Co. verbreitet. Die Inhalte hatten nur indirekt mit den Seenotrettern zu tun, zahlten aber subtil auf die Werte und Ziele der Organisation ein. Auch wenn das Projekt sicherlich nicht im Low-Budget-Bereich anzusiedeln ist, kann man sich auch im Kleinen das eine oder andere abschauen.

Auf welchem Wege sollten Vereine ihre Magazine vertreiben? Einige Zielgruppen sind digitalaffin, andere wiederum nicht. Pauschal lässt sich also gar nicht sagen, in welcher Form das Magazin ausgespielt werden sollte. Wie kommen Sie zu einem Ergebnis?

Da möchte ich widersprechen: Jede Zielgruppe ist mittlerweile digital unterwegs. Selbst 70-Jährige wissen längst mit Tablets und Smartphones umzugehen. Man kann also nicht mehr sagen, die eine Zielgruppe lese digital und die andere analog. Nur in Print zu denken, ist deshalb zu kurz gedacht. Allerdings darf ein digitales Magazin kein bloßes Abbild der Printversion sein. Digital bedeutet, Inhalte durch Videos und Bildergalerien zu ergänzen, sie auf jedem Endgerät verfügbar und vor allem im Netz auffindbar zu machen. Daneben hat ein gedrucktes Magazin aber nach wie vor seine Daseinsberechtigung: Der haptische und emotionale Wert ist nicht zu unterschätzen, und wer es im Briefkasten findet, der beschäftigt sich eher damit als mit einem Link in einer E-Mail, die schnell weggeklickt ist.

Das klingt alles schön und gut, aber viele Vereinsmitglieder üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Zumindest aber sind Budgets und Ressourcen oft stark begrenzt. Mit welchen Argumenten können Sie dagegenhalten?

Kleine Vereine oder Verbände sollten vielleicht nicht in zu großen Dimensionen denken. Umfang, Erscheinungsweise und Komplexität der Geschichten und des Mitgliedermagazins sind Stellschrauben, um auch mit kleinen Budgets etwas erreichen zu können. Hier gilt für mich das Credo: Lieber weniger, aber gut!

 

(Dieser Artikel ist ursprünglich unter dem Titel „Welche Bedeutung hat ein Mitgliedermagazin für einen Verein oder Verband bei der Identitätsstiftung?“ im BWH-Magazin erschienen.)

 

Titelbild: chuttersnap on Unsplash

 

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Porträt von Thorsten Ewert, Geschäftsführer der Content-Marketing-Agentur publish! Medienkonzepte in Hannover

Zur Person:

Thorsten Ewert ist Geschäftsführer der Content-Marketing-Agentur publish! aus Hannover. Sein Vereinsherz schlägt für den HSV, für den er schon als Schüler erste Fanzines erstellt hat. Mit anderen Mitstreitern gab er vor einigen Jahren das HSV-Buch „Kinder der Westkurve“ heraus. Seine Agentur betreut das HSV-Mitgliedermagazin „Supporters News“.