Infografik: Visuelle Geschichten über Inhalt und Form

Auf der Editorial Design-Konferenz (QVED 2016) in München gab es eine eigene Tochterkonferenz zum Thema Infografiken im Editorial Design. Im Grunde also etwas, was mir in meinem Alltag immer häufiger begegnet: Infografiken erobern auch das Content-Marketing. Der Grund: Viele Unternehmen haben entdeckt, dass ihre auf den ersten Blick etwas drögen Zahlen durchaus einen Unterhaltungswert haben – wenn sie ansprechend kommuniziert werden.

Eigentlich sind schematische Darstellungen – gerade in Drucksachen von Unternehmen – ein alter Hut. Kein Geschäftsbericht ohne Balkendiagramme, kaum eine unternehmerische Übersicht ohne Torten. Aber das allein will schon lange keiner mehr sehen. Unsere designverwöhnten Augen gieren nach immer leichter zu konsumierenden Übersichten, die auf unterhaltsame Weise einen Sachverhalt erklären, Kernpunkte auf ansprechende Art verpacken und trotzdem auf den Punkt informieren. Mit einer Infografik gelingt dieser Spagat zwischen Fachinformation, Vereinfachung und Unterhaltung im Content-Marketing am besten – nicht aber am leichtesten.

Historisch gesehen gilt die Landkarte als Mutter aller Infografiken. Heute sind Infografiken fast überall zu finden und zeigen eine schier unendliche Vielfalt. So werden Pommes frites zu Balkendiagrammen, Bartlängen zur Veranschaulichung von Jobprofilen oder Kaugummiblasen in verschiedenen Größen zur Anzeige der Altersverteilungen. Kein Wahlabend ohne variable Sitzverteilung, kein Fußballspiel ohne Ballkontaktübersicht und kein Gartenplaner ohne Wurzeltiefe und Pflanzzeit im Überblick. So entsteht eine sehr charmant unterhaltende Form der Bebilderung im Content-Marketing – von Artikeln oder ganzen Geschäftsberichten. Für sich betrachtet ist die Infografik ein Allrounder. Sie ist der MacGyver der Bebilderung und hilft immer dann, wenn Fotos mit ihrem Fokus auf einen Aspekt längst an ihre Grenzen stoßen und Texte sich in erklärende Langweilslängen ziehen.

Infografik? Nicht ohne aussagekräftige Daten

Aber am Ende ist es auch hier ganz klar so: Infografiken wollen eine Geschichte erzählen. Dazu braucht es erzählenswerten Inhalt – sprich: aussagekräftige Daten. Somit haben sie neben dem Unterhaltungs- bestenfalls immer einen Mehrwert für den Betrachter.

Im Alltag ist das nicht immer allen Beteiligten klar. Mehr als einmal habe ich gehört: „Nein, Fotos haben wir nicht – dann mach doch einfach eine schicke Infografik dahin.“ Leider ist die Versorgung mit entsprechenden Daten dann eher zäh. Oder die Daten sind schlicht nicht aussagekräftig. Wer sie bloß auf ihr schönes Kleid reduziert, tut der Infografik einfach unrecht. Es geht eben ganz stark um die inneren (Daten-)Werte, die nur als Krönung noch schön verpackt werden. Nicht umgekehrt.

Nicht zu viel auf einmal in einer einzigen Infografik

Wie im Qualitätsjournalismus darf die Infografik darüber hinaus nicht mit Information überladen sein. Sonst wirkt sie durcheinander, und ihre Informationen lassen sich gar nicht alle erfassen. Genauso wenig sollte sie (in Ermangelung von Daten) zu reduziert daherkommen, denn die Schwelle zur Langeweile ist schnell übertreten.

Und noch eines wird deutlich: Es ist ein fließender Übergang vom Gestalter zum Autor. Die pure Visualisierung von Informationen fordert ein Talent, gelieferte Daten zu verstehen und sie ins Visuelle zu übersetzen. Sachverhalte zu vereinfachen und eingängig zu präsentieren ist damit der Kern des Informationsdesigns. Aber besteht die Zielgruppe aus Spezialisten oder Laien? Auch die Antwort auf diese Frage fließt ins Gestalten mit ein. Jede Infografik ist ganz individuell zugeschnitten auf Medium, Zielgruppe und Unternehmenslook.

Ich stelle also fest: Es ist ein kleiner Schritt vom Designer zum Datenjournalisten – nicht aber ein leichter. Hier arbeite ich somit zusätzlich als Transformator und nicht nur als Gestalter, der für Individualität sorgt.

Aber ich bin mir sicher, dass diese Form der Bebilderung und Erklärtechnik noch lange Zeit immer weiter auf dem Vormarsch sein wird. Und ich habe noch viele Ideen.

 

 
Titelbild: publish! | Material: Adobe Stock

Auch interessant:

Was ist gutes Design?