„Ein türkis Kleid“ oder „ein türkises Kleid“?

Jüngst handelte ein Text von einem Tuch mit „orange Aufhänger“. Das ist tatsächlich die korrekt gebeugte Form der Farbe, bekräftigt unser Lektor Clemens Bernhard. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Silbenzahl.

Das Kleid ist türkis.

Ist es dann ein türkises Kleid oder ein türkis Kleid?

Das Auto auf der Straße hat die Farbe Silber.

Ist es dann ein silbernes Auto oder ein silber Auto? (Vorweg die für mich überraschende Antwort: keins von beidem!)

Und wie verhält es sich mit der Forelle (blau)?

Ist es eine blaue Forelle oder eine blau Forelle?

Ein orange Aufhänger oder ein orangener Aufhänger?

Ausgangspunkt dieser Fragen war der Satz in einem Text über besondere Textilien: „Die praktischen grauen Handtücher bestehen aus einem Leinen-Baumwoll-Gemisch mit leuchtend orange Aufhänger.“

So kam der Text aus dem Lektorat zurück, aber eine innere Stimme sagte: Es muss doch ein „oranger“ oder „orangener“ Aufhänger sein – oder wenigstens einer in leuchtendem Orange?

Gebeugte Form von Farben ist umgangssprachlich

Tja, Irrtum! Unser Lektor Clemens antwortete:

„Die gebeugten Formen wie ‚orangenem‘, ‚lilanem‘ und so weiter gelten als umgangssprachlich. Hoch-/standardsprachlich korrekt wäre die von dir vorgeschlagene Umformulierung ‚in leuchtendem Orange‘, die unflektierte Verwendungen ‚mit leuchtend orange Aufhänger‘ oder die Fügung mit -farben, also ‚mit leuchtend orangefarbenem Aufhänger‘.

Speziell bei orange (und beige) ist nach dem neuesten Duden nunmehr auch eine korrekte Flexion möglich, also ‚mit leuchtend orangem Aufhänger‘, die ich aber nicht empfehle. Außerdem kann statt -farben gleichbedeutend auch -farbig verwendet werden, was ich ebenfalls nicht empfehle (farbig wird üblicherweise mit mehrfarbig, also bunt, assoziiert).“

Unterschied zwischen einsilbigen und zweisilbigen Farben

Ich hatte eine Rückfrage:

„Heißt das, es hieße korrekt ‚mit leuchtend grün Aufhänger‘, ‚mit leuchtend blau Aufhänger‘? Oder gibt’s da noch eine weitere Regel?“

Clemens sah nicht schwarz, sondern erklärte mir geduldig:

„Nein, das heißt es glücklicherweise nicht. Ich hätte früher ansetzen sollen.

Zunächst: Im Deutschen wird zwischen den ursprünglichen (immer einsilbigen) Farbadjektiven (grün, gelb, blau, rot, braun, schwarz, weiß) einerseits und den mehrsilbigen Farbadjektiven, die meist Ableitungen von Substantiven aus Fremdsprachen sind (rosa, lila, orange, beige, creme, ocker, cognac, türkis und so weiter), unterschieden.

Die erste Gruppe wird immer normal flektiert, es ist also zum Beispiel ein grünes Kleid oder etwas hat einen leuchtend blauen Aufhänger. Unflektierter Gebrauch ist hier auf wenige Spezialfälle beschränkt, etwa sogenannte Postposition (Forelle blau). Kombinationen mit -farben/-farbig sind nicht (mehr) üblich (dichterisch oder in sehr alten Texten findet man noch Formulierungen wie ‚ein rotfarbiges Band‘, wobei das dann einfach rot oder in vielen Rottönen changierend bedeuten kann).

Bei der zweiten Gruppe wird nach klassischer Auffassung angenommen, dass hoch-/standardsprachlich immer flexionsloser Gebrauch vorliegt, also ein orange Kleid oder ein leuchtend türkis Aufhänger. Die Kombination mit -farben/-farbig (orangefarbenes Kleid, türkisfarbiger Aufhänger) ist möglich.

Der Duden nimmt mittlerweile für beige und orange eine Zwitterposition an. Beide Begriffe werden zunehmend wie normale Farbadjektive verwendet (ein orange oder ein oranges Kleid, ein beige oder ein beiger Aufhänger).“

Wenn ein Kleid türkis ist, dann ist es tatsächlich ein türkis Kleid.

Besonderheit bei den Farben Silber und Gold

Clemens war noch nicht fertig: „Wo wir aber schon dabei sind, eine Besonderheit noch: Bei den Metallfarben (silbern, golden) ist auch normale Flexion möglich, allerdings nach traditioneller Auffassung mit einem Bedeutungsunterschied. Ein silberner Löffel ist aus Silber, eine silberfarbene Karte ist bloß silbrig angemalt.“

Beim eingangs genannten Auto in der Farbe Silber handelt es sich also nur dann um ein silbernes Auto, sofern es sich beispielsweise um die Trophäe eines Rallye-Zweitplatzierten handelt. Wenn es tatsächlich auf der Straße fährt, dann ist es ein silberfarbenes Auto.

Für diese Erklärungen bekommt Clemens von uns eine Medaille aus purem Gold. Also eine goldene.

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Zur Person:

Clemens Bernhard studierte Germanistik und Philosophie. Mit dem Masterabschluss machte er seine Neigung zum Beruf und ist nun bezahlter Besserwisser. Er korrigiert und lektoriert fast alles, was auch nur entfernt an die deutsche Sprache erinnert. lektoren.de/profil/clemens-bernhard