Social Media geht doch ganz einfach? Von wegen: Viel besser trifft’s der von Mike Krüger besungene Nippel, der nur durch die Lasche gezogen werden muss, weiß Krügers ehemaliger Tourmanager Ulf Gimm. Der Social-Media-Manager und Leiter Unternehmenskommunikation hat Tipps für Unternehmen: Er erklärt die Vorteile von Social Media, die Bedeutung von Tonalität und redaktioneller Herangehensweise – und weshalb die Zahl der Follower eine untergeordnete Rolle spielt.
Ulf, du warst von 1989 bis 2000 Tourmanager von Mike Krüger. Wie lief denn damals die Vermarktung? War Social Media schon irgendein Thema?
Nicht wirklich. Der wichtigste „Kanal“ war damals das Fernsehen. Bestenfalls hatte man eine eigene TV-Sendung. Dann war noch eine Website entscheidend und dass man einen Wikipedia-Eintrag hat.
Das hat sich grundlegend geändert. Wenn du noch für Mike Krüger arbeiten würdest – jetzt als Social-Media-Manager –, wie würdest du ihn auf Facebook und Co. vertreten?
Anders, als es seine Agentur momentan tut. Aber das soll kein Vorwurf sein: Mike und ich waren zu Tourzeiten mehr zusammen als mit unseren Partnern. Ich habe ihn extrem gut kennengelernt und weiß, wie er spricht und agiert. Ich würde und könnte deshalb viel mehr auf seine Persönlichkeit eingehen. Es wird emotionaler, wenn derjenige, der einen Beitrag auf Facebook veröffentlicht, sich mit der Materie, dem Unternehmen oder der Person auskennt, für die er schreibt. Persönlichkeit ist elementar – das steht ja schon im Namen: Social. Sonst bekommst du deine Follower nicht zum Mitmachen und Kommentieren.
Würdest du einem Unternehmen etwa raten, Social Media im eigenen Haus zu machen? Oder trotzdem extern?
Na ja, das ist eine Grundüberlegung: Man kann es selbst machen – aber für die meisten ist das viel zu zeitaufwendig. Eine Agentur wiederum weiß, was sie tut – aber sie muss das Unternehmen erst kennenlernen, für das sie die Social-Media-Kommunikation übernimmt.
Wie gelingt das?
Schritt eins: Sucht nur so viele Kanäle aus, dass ihr sie zeitlich, personell und finanziell tatsächlich bespielen könnt. Schritt zwei: Gebt eurem Social-Media-Manager die Chance, die Tonalität eures Unternehmens oder Chefs kennenzulernen. Bei meinem jetzigen Arbeitgeber – der +siggset+ print & media AG – habe ich mir dafür ein halbes Jahr gegeben. Und macht klar, wie weit sprachliche Formulierungen gehen dürfen. Das ist wichtig, weil ein Social-Media-Manager nicht nur selbst postet, sondern auch auf Kommentare oder Kritik auf Bewertungsportalen eingehen muss. Davor haben viele Unternehmen Angst – sie denken bei Kritik immer gleich an einen Shitstorm. Dabei sind solche Kommentare eine riesige Chance, weil man öffentlichkeitswirksam reagieren kann und auf eine persönliche Ebene kommt – wenn man den richtigen Ton trifft.
Kann das nicht der Praktikant machen? Der ist ja mit dem Internet aufgewachsen …
Denkste: Mit dem Schreiben geht’s da schon mal los. Wer sich sicher im Internet bewegen kann, ist nicht automatisch ein Rechtschreibgott. Kleine Tippfehler verzeiht das Netz, aber man sollte schon einer korrekten Sprache mächtig sein. Und das ist ja nicht alles: Wer Social Media betreut, muss Redaktionspläne erstellen. Themen recherchieren. Sich mit Bildformaten beschäftigen. Inhalte wie Texte, Fotos und Videos produzieren oder die Produktion begleiten. Kanäle testen. Und auch nach Feierabend mal ein „Gefällt mir“ bei Twitter klicken und auf einen Kommentar eingehen. Kurzum: Bei +siggset+ haben wir für all das ein Media-Team mit Gestaltern, Mediendesignern und mir in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Für eine Person allein wäre das schwer zu leisten. Außerdem muss Social Media nachhaltig sein. Das klappt nicht mit einem Praktikanten, der nach drei, sechs oder zwölf Monaten wieder verschwindet.
Weshalb ist die redaktionelle Herangehensweise so wichtig?
Social Media heißt Kontinuität. Schon heute steht fest, was wir in drei Wochen veröffentlichen. Dafür muss man redaktionell denken und sich frühzeitig in Themen einarbeiten. Nach dem Post ist vor dem Post, und Social Media ist mehr als nur „Gefällt mir“ zu klicken.
Wie findet ihr denn relevante Themen für die sozialen Medien?
Social Media ist nicht nur externe, sondern auch interne Kommunikation. Will heißen: Wir hören zu, was wir aus dem Unternehmen mitbekommen. Welche neuen Pläne hat der Inhaber? Welche Fragen bekommen die Servicemitarbeiter aus dem Markt? Jede Woche heißt es Augen und Ohren offenhalten und erfahren, was gerade passiert. Daraus nehmen wir dann regelmäßig ein Thema mit, das auch die Öffentlichkeit interessiert.
Das klingt nach Unternehmensmagazin-Redaktion …
Absolut – es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen Social Media und Kunden- oder Mitarbeitermagazinen. In beiden Fällen braucht der Verantwortliche einen Hang zum Journalismus. Social Media bietet aber einen größeren Strauß an Möglichkeiten. Natürlich gibt es Unternehmen, die auf allen Kanälen dieselbe Pressemitteilung posten und die Kommentarfunktion deaktivieren. Daran ist aber nichts Soziales mehr. Andere haben verstanden, dass unterschiedliche Kanäle unterschiedliche Ansprachen brauchen. Und redaktionellen Content.
Welche Kanäle nutzt du? Und aus welchen Gründen?
Erstens: Auf Xing und Linkedin sollten Unternehmen zumindest ein Profil haben. Xing vor allem, wenn Deutschland der Zielmarkt ist.
Zweitens: Youtube wird komplett unterschätzt. Die Videoplattform ist die zweitgrößte Suchmaschine im Internet! Und Bewegtbild ist Lieblingsmedium Nummer eins. Deshalb haben andere Plattformen wie Twitter, Instagram und Facebook jetzt auch Videofunktionen.
Drittens: Facebook und Twitter sind sehr aktuell und ohne Programmierkenntnisse zu bespielen. Man kann dort sogar gezielt werben: nur für Ältere, nur für Jüngere, nur für Frauen, nur für Männer – alles möglich.
Viertens: Nicht nur Bewegtbild zieht, sondern auch Fotografie. Deshalb: Instagram.
Fünftens: Pinterest ist spannend, weil man dort Links, Bilder und Informationen (zum Beispiel gute Pressemitteilungen) pinnen kann – auch Lesenswertes aus anderen Social Media. Außerdem sind Pinterest-Inhalte bei der Google-Bildersuche relativ weit vorn zu finden. Das schafft zusätzliche Reichweite in der Zielgruppe.
Wie wichtig ist es denn, viele Follower zu haben?
Nicht unwichtig – aber man sollte bloß nicht anfangen, seinen Erfolg an deren Anzahl zu messen! Oder daran, wie viele Likes man bekommt. Wenn niemand reagiert, dann ist das überhaupt nicht schlimm – genauso wenig, wenn die Reichweite am Anfang nur drei Personen beträgt. Ich will ja eine langfristige Beziehung zu potenziellen oder bestehenden Kunden aufbauen. Das klappt mit hochwertigen Inhalten. Darauf kommen vielleicht keine Kommentare, aber gesehen haben es trotzdem viele – ohne dass man etwas dafür bezahlen musste. Im direkten Gespräch merkt man dann häufig, dass die Leute sich doch auf den sozialen Medien mit einem beschäftigt haben. Dann wird dir klar: „Der hat nie was kommentiert, aber trotzdem alles wahrgenommen.“
Welche Tipps hast du für Unternehmen, die bislang noch kein Social Media betreiben?
Wer damit anfangen will, sollte sich beraten lassen. Ein Auto kauft ja auch niemand, ohne sich zuvor darüber informiert zu haben.
Ulf, danke für das Gespräch!
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Titelbild: publish! | Material: Adobe Stock
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