„Nachhaltigkeit ist ein Must-have“

Seit 2017 sind viele Unternehmen in der EU verpflichtet, jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen. Doch wie steht es um die Umsetzung und was hat eigentlich das Storytelling mit Nachhaltigkeit zu tun? Wir haben uns mit CSR-Experte Philipp Killius unterhalten.

Herr Killius, Kirchhoff Consult hat in einer neuen Studie die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Dax-30-Unternehmen untersucht. Was haben Sie im Kern herausgefunden?

Haupterkenntnisse der Studie sind, dass Nachhaltigkeitsberichte immer gezielter als Kommunikationsinstrumente eingesetzt werden, um nicht finanzielle Leistungen des Unternehmens einer breiteren Zielgruppe bekannt zu machen. Das heißt: Der Report ist häufig eine Art Imagebroschüre und Leistungsschau aus Daten und Fakten. Zudem stellen wir fest, dass ein starker Wandel von Print- zur Onlinekommunikation stattfindet. Oft werden eigene Microsites aufgebaut oder der Nachhaltigkeitsbericht wird in bestehende Corporate Websites integriert. Nur wenige progressive Unternehmen setzen auf die konsequente Nutzung von Social Media, um die Berichterstattung zu pushen und regelmäßig zu aktualisieren. Eine weitere Erkenntnis unserer Dax-30-Studie ist, dass Integrated Reporting, das heißt das Zusammenlegen der Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung, in zunehmendem Maße ein Thema ist. Wegen der Komplexität haben sich jedoch bislang nur eine Handvoll der Dax-30-Unternehmen an die anspruchsvolle Umsetzung gewagt.

Warum ist das Thema Nachhaltigkeit heute so wichtig?

Die Unternehmen haben erkannt, dass Nachhaltigkeit kein „Nice-to-have“, sondern ein „Must-have“ ist. Insbesondere extern sorgen CSR-Berichte für Reputation und Image. Hier können Leistungen positiv einer interessierten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Investoren, die gezielt nach nachhaltig agierenden Unternehmen suchen, können ebenso erreicht werden. Junge Bewerber und künftige Mitarbeiter sind zudem daran interessiert, inwieweit ein potenzieller Arbeitgeber nachhaltig wirtschaftet. Die sogenannte Generation Y will sicher in Unternehmen arbeiten, die gut zahlen, aber genauso wichtig ist es ihr, eine sinnstiftende und wertschaffende Arbeit auszuführen. Ein Nachhaltigkeitsbericht ist dann ein gutes Argument. Aber: Was nicht unterschlagen werden sollte, ist die neue gesetzliche Pflicht zur Offenlegung nicht finanzieller Informationen (geregelt im CSR-Richtlinie-Unsetzungsgesetz) für Unternehmen ab einer bestimmten Größe und Umsatzmenge. Diese Voraussetzung führt natürlich zu Bewegung auf dem Markt.

Wird diese Entwicklung neben den großen Unternehmen auch kleine und mittelständische Unternehmen betreffen?

Gewiss. Der Trend ist durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz quasi vorgegeben. Meine Einschätzung ist, dass in Zukunft verstärkt kleinere Unternehmen und Mittelständler ebenfalls auf Nachhaltigkeitsberichte setzen werden und müssen. Viele Familienunternehmen arbeiten schon immer nachhaltig und fragen sich, warum sie das auf einmal in einem gesonderten Bericht kommunizieren sollen. Diese Denkweise ist veraltet und wird verschwinden. Denn in der globalisierten Wirtschaftswelt gelten für alle Markteilnehmer die gleichen Mechanismen. Wenn die großen Auftraggeber, sprich die internationalen Konzerne wie Bayer, Daimler oder Siemens, ihrer Lieferkette sagen, wir möchten, dass ihr nachhaltig produziert, dann ist auf einmal eine Notwendigkeit da, dies auch transparent und nachvollziehbar zu kommunizieren.

Kirchhoff Consult berät Unternehmen in der Konzeption von Nachhaltigkeitsberichten. Empfehlen Sie dabei immer häufiger, neben dem klassischen Zahlenwerk das Thema Nachhaltigkeit verständlicher in Geschichten aufzubereiten?

Der Trend geht eindeutig dahin, keinen reinen „Zahlenfriedhof“ im Nachhaltigkeitsbericht zu haben, sondern den Bericht mit den Mitteln des Storytellings anzureichern. So schaffen Geschichten eine Emotionalität und Nähe zum Unternehmen, die dem eher gewöhnlichen Zahlenteil vorenthalten sind. Idealerweise greift das Storytelling aber Zahlen auf und verbindet so beide Teile. Kurzum: Die Kombination aus journalistischen Geschichten und klassischem Zahlenwerk nimmt zu.

Fördern Geschichten die Glaubhaftigkeit von Unternehmen?

Ja, solange die Geschichten mit der originären Geschäftstätigkeit verknüpft sind und aus dem Unternehmensalltag der Mitarbeiter stammen. Auch sollte der Leser erkennen können, dass die getätigten Aussagen des Unternehmens kein willkürliches „Greenwashing“ sind, sondern durch unabhängige Dritte auf Wahrhaftigkeit und Ausgewogenheit geprüft wurden. So wird die Glaubhaftigkeit eines Nachhaltigkeitsberichts beispielsweise signifikant durch die Beauftragung eines Wirtschaftsprüfers erhöht: Hier können dann nicht nur quantitative Informationen, sprich Zahlen, Daten und Fakten, geprüft werden, sondern auch qualitative Aussagen.

Sollten Unternehmen auch über Verfehlungen und Herausforderungen berichten?

Im Sinne einer glaubwürdigen Kommunikation auf jeden Fall. Es ist nie ein Problem, die Highlights darzustellen, aber nur wenige Unternehmen, die wirklich das Thema Nachhaltigkeit verinnerlicht haben, sind dann auch bereit zu sagen, was weniger gut gelaufen ist. Derzeit tut das nur die Minderheit. Eine vertane Chance. Denn wenn Unternehmen ein gutes Nachhaltigkeitsmanagement haben, dann können auch negative Ereignisse kommuniziert werden. Wichtig ist dann, dass im selben Atemzug Strategien und Lösungen angeboten werden, wie in Zukunft mit dem jeweils spezifischen Problem umgegangen wird. Das ist gute und glaubhafte Kommunikation. Dieses Denken muss sich mehr und mehr in den Köpfen der Verantwortlichen in den Unternehmen festsetzen.

In welche Richtung wird sich der CSR-Report entwickeln?

Der Nachhaltigkeitsbericht wird weiterhin eine Mischung aus Storytelling und Zahlen haben. Der Verbreitungskanal wird verstärkt online sein, es wird weniger Printberichte geben. Durch die Weiterentwicklung von Reportingstandards wie der Global Reporting Initiative (GRI) und dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) wird auch die Professionalisierung der Berichterstattung zunehmen. Allgemein wird das Thema Nachhaltigkeit in den Unternehmen weiter an Gewicht gewinnen. Es bleibt spannend.

 

Global Reporting Initiative (GRI)
Die Global Reporting Initiative ist ein Zusammenschluss aus Unternehmen, Investoren, Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfern, Verbänden, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Wissenschaftlern. Ziel ist es, einheitliche internationale Standards in der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu definieren und weiterzuentwickeln, sodass Transparenz und Vergleichbarkeit in der Berichterstattung gewährleistet sind.

 

Titelbild: publish! | Material: Adobe Stock

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Nachhaltigkeitsexperte Philipp Killius von Kirchhoff Consult

Zur Person:

Philipp Killius leitet bei der Kirchhoff Consult AG in Hamburg den Bereich Corporate Social Responsibility (CSR). Zu den Schwerpunkten seiner fünfzehnjährigen Beratungs- und Prüfungstätigkeit zählen die Entwicklung und Implementierung von CSR-Strategien, die CSR-Berichterstattung und die Gestaltung nachhaltiger Lieferketten.